Rezension

Endlich mal wieder ein Krimi, der Spaß macht! Endlich Tana French!

Der dunkle Garten - Tana French

Der dunkle Garten
von Tana French

Es sei gesagt: Es ist mein erster Roman der irischen Krimi-Schriftstellerin. Ich habe also keinen Vergleich. Einige sagen, dass die Handlung, ihr Spannungsbogen, diesmal eher ungewöhnlich, eher untypisch, eher langatmig sei. Gleichzeitig sei der Roman aber ganz typisch: virtuose Sprache, unglaubliche Menschenstudien und ein Fall, der einen bis zum Schluss in Atem hält! Mich für meinen Teil hat der Roman, der Fall, vom ersten Wort an in seinen Bann gezogen und am Schluss als Fan zurückgelassen.

Toby ist ein Sonnyboy. Ende zwanzig, beliebt, im Job angekommen, mit der wunderbaren, immer positiven, lachenden Melissa zusammen. Das Leben läuft gut, gerade so gut, dass er sich nicht allzu sehr ins Zeug legen muss. Es passiert halt, meint es gut mit ihm und Toby geht einfach mit. Er ist ein "Glückskind" - wie er selbst erkennt, aus dem Rückblick.
Schon der Anfang, die ersten Sätze lassen einen Abgrund erwarten, ein Ereignis, das alles durcheinander bringen wird bzw. gebracht hat. Aber kommt Zeit, kommt Rat. Erst einmal wird dem Leser ein ausgiebiger Blick in Tobys Leben gewährt. Und der Leser merkt schnell: Er ist sympathisch, ohne richtig sympathisch zu sein. Tana Frenchs Sprache schafft genau das, was Toby selbst immer wieder erkennen muss: Die Leute mögen ihn einfach. Umso schockierender wirkt die Nacht, in der er Opfer eines Einbruchs und Überfalls wird: Für Toby allein schon deshalb , weil es nicht zu seinem perfekten, einfachen Leben passt, aber auch, weil mit einem Mal ein Zug in die Handlung kommt, die im starken Kontrast zu dem bisherigen ruhigen Kennenlernen steht. Und hatte man als Leser zu Beginn schon keine Ahnung, wohin die Reise geht, so steht man danach nur noch ratloser dem Plot gegenüber. Der Rote Faden des einfachen Lebens dröselt langsam auf und plötzlich stehen genauso viele neue Rästel im Raum, wie sich das Figurenensemble erweitert. Es ist ein guter Kniff, dass der Protagonist, dessen Erinnerungen der Leser ganz offensichtlich folgt, sich nicht mehr hundertprozentig auf diese verlassen kann. Und es sind genau diese Ungewissheiten, die nicht nur Toby zweifelns und verzweifeln lassen, sondern auch mich, den Leser, an die Geschichte binden!
Und so beginnt die Suche nach der Wahrheit.
Das erfolgt - zugegebenermaßen - in aller Ruhe. Große Action ist (mit wenigen Ausnahmen) nicht das Aushängeschild dieses Romans. Das geben für mich aber allein schon Tana Frenchs Sprache und ihr Stil - die Liebe zum Detail, die bildlichen, gut vorstellbaren Beschreibungen, die psychologischen Studien - nicht her. Es ist aber meines Erachtens gerade das große Plus des Romans, dass die Autorin ein Händchen dafür hat, Figuren zu kreieren und nicht nur Typen abzubilden und sie in eine eigentümliche, jedoch unglaublich realistische Dynamik zu setzten. Ein buntes Sammelsurium von Menschen und jeden schließt der Leser augenblicklich in sein Herz, auch deshalb, weil sie Schwächen haben und man vermeintlich glaubt, eben jene Tante auch in der eigenen Verwandtschaft wiederfinden zu können. Nicht zu übertrieben, nicht zu außergewöhnlich. Irgendwie herzlich, während man gleichzeitig froh ist, wenn man wieder mit Toby alleine ist. Und auch deswegen bleibt man bis zum Schluss im Dunkeln, allein (mit Toby) und betrachtet ratlos die vielen Roten Fäden.

Insgesamt ist der Roman für mich wie Irland: Herzlich und wunderbar, ohne dass man so ganz genau sagen kann, woran es eigentlich liegt. Aber es gibt auch dunkle Flecken und Abgründe, je tiefer man gräbt: Dieses Mal an genau den Stellen, an denen der Plot Fahrt aufnehmen wollte und Action eingebaut hat. An diesen Stellen wirkte er zu konstruiert, sodass sich die Fiktion dem Leser förmlich aufdrängte. Es ist zum Glück selten der Fall, aber für mich hätte noch da, darauf verzichtet werden können. Deswegen gibt es einen halben Punkt Abzug. Ansonsten hat der Roman mich zu einem absoluten Tana French Fan gemacht und ich freue mich schon, auch die anderen Romane von ihr zu lesen!