Rezension

Endstation Sarajevo

Endstation Sarajevo
von Frank Gerbert

Bewertet mit 3 Sternen

'Mir scheint, wir werden heutʼ noch ein paar Kugerln bekommen.' Franz Ferdinand zwei Minuten vor seiner Ermordung.
 

Frühsommer 1914: Der greise Kaiser Franz Joseph kränkelt, sein Neffe Franz Ferdinand wähnt sich nur noch Monate von der Thronbesteigung entfernt. In Einübung künftiger Aufgaben reist er mit seiner Gattin ins annektierte Bosnien-Herzegowina. Dort nimmt das Drama seinen Lauf, am Attentat auf den Thronfolger entzündet sich der Erste Weltkrieg.
Der deutsche Journalist und Autor Frank Gerbert folgt im Juni 2013 den Spuren des Erzherzogs auf seiner Reise in den Tod. Er kommt durch ein zerrissenes Bosnien, das immer noch gezeichnet ist vom grausamen Krieg der 1990er-Jahre.
Mit Schreibblock und Kamera ausgerüstet inspiziert er die Stätten, an denen der Thronfolger Halt machte. Er analysiert aber auch Psyche und Politik des schwierigen Menschen Franz Ferdinand, dieses 'Klaus Kinski der Habsburger'. Bei der Untersuchung des Attentats von Sarajevo stieß Gerbert auf eigenartige, wenig bekannte Zusammenhänge. Obwohl Militarist, lehnte Franz Ferdinand einen Krieg gegen Serbien ab, seine Ermordung ermöglichte den 'Falken' erst das Losschlagen. Warum zeigte sich sogar Franz Joseph erleichtert über den Tod seines Neffen? Warum gab es so wenig Sicherheitsvorkehrungen? Warum stoppte das Auto direkt vor dem Mörder Princip? Wollte man Franz Ferdinand loswerden, weil er einen Krieg gegen Serbien ablehnte?
Trotz des ernsten Themas schreibt Frank Gerbert mit Witz und viel Gespür für die Absurditäten der historischen Abläufe. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite: Wie ein Krimi liest sich diese akribische Spurensuche."

 

Umschlaggestaltung:

Das blutrote Cover & der Titel "Endstation Sarajevo" sind für meinen persönlichen Geschmack zu reisserisch gestaltet. Das Buch bietet rein optisch jedoch einen guten Wiedererkennungswert, sodass viele Leser in der Buchhandlung danach greifen werden.

 

Meine Meinung:

Eine Fleißarbeit, ein Reisetagebuch (und vieles mehr), an dem mich vor allem die Gegenüberstellung von historischem und aktuellem Bildmaterial begeisterte. Alles in allem bleibt die Arbeit aber leider hinter meinen Erwartungen zurück. Ein Journalist begibt sich auf Spurensuche, kommt aber an die Akribie eines Historikers leider nicht heran.

Das Buch ist jedoch für das breite Publikum gut lesbar, nicht jeder möchte schliesslich ein 'trockenes' Sachbuch lesen. Manche Themenkomplexe spart Gerbert gewissermassen aus, so geht er etwa auf die jungbosnische Bewegung oder auf 'Vereinigung oder Tod' nicht en détail ein, was womöglich auch der Quellenauswahl geschuldet ist - im Anhang ist primär  deutschsprachige (Sekundär)Literatur genannt. Englisch- oder slawischsprachige Autoren sucht man hier vergebens (wenn, dann wurde die dt.Übersetzung konsultiert) , und zum Thema Bosnien etwa hätte man Noel Malcolm zu Rate ziehen können.

Zu Recht warnt Gerbert vor der Quelle Wikipedia. Besser wäre es jedoch, ganz vom Gebrauch von Wikipedia abzuraten, da es eigentlich eine nicht zitierfähige Quelle ist.

Das Buch an sich behandelt ein sehr eng gefasstes Thema, daher sollte man es m.E. nicht unbedingt als stand alone lesen, sondern sich eventuell zuerst mittels einer Überblicksdarstellung in die Materie einlesen.

Fazit: Eine interessante Lektüre, die meine Erwartungen aber leider nicht ganz erfüllen konnte - ich fand nicht, dass sich das Buch "wie ein Krimi" las.