Rezension

Engagement gegen Rechts darf nicht kriminalisiert werden

Nach dem Verfassungsschutz - Horst Meier, Claus Leggewie

Nach dem Verfassungsschutz
von Horst Meier Claus Leggewie

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Engagement gegen Rechts braucht Anerkennung und Unterstützung statt Diffamierung und Kriminalisierung.“

 

Der Herr Maßen erdreistete sich im Jahr 2018 zu einem Urteil gegenüber Aktivisten in Chemnitz. Dazu schreiben die Autoren von #NachDemVerfassungsschutz: „Unter Geheimdienstlern gilt öffentliche Geschwätzigkeit als untrügliches Zeichen für mangelnde Qualifikation.“

 

Zwei Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit haben nicht nur bei mir die Sicht auf den Verfassungsschutz verändert. Das sind die Morde durch den NSU und die Amokfahrt des Terroristen Amri. Dass der NSU sehr nach mit V-Leuten im Osten der Republik verwoben war, erklären sich die Autoren Claus Leggewie und Horst Meier so: Als die SED noch bestimmte, wurden zum Beispiel schwangere Arbeiterinnen aus Vietnam zur Abtreibung gezwungen. Deutsch durfte niemand lernen, es waren Menschen zweiter Klasse. Konnte aus dieser Einstellung der NSU entstehen?

 

Da ist noch die Sache mit den V-Männern. Sehr geheimnisvoll und sehr teuer, aber auch mit produktivem Nährwert? Eher nicht. In #NachDemVerfassungsschutz werden einige Skandale verschiedener Spitzel erläutert. Das ganze Ausmaß des so entstandenen Schadens kann sich wohl niemand vorstellen. Beispiel aus dem Buch: Gegen einen V-Mann wurde sage und schreibe 35mal ermittelt. Unter anderem wegen: Volksverhetzung, Landfriedensbruch und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Strafe oder Verurteilung? Fehlanzeige.

 

Interessant zu lesen ist auch die Chronik der Pannen von 1950 bis 2012. Sehr suspekt ist mir auch die Tatsache, dass alleine ein Verdacht genügt, um private Personen zu überwachen. Darf nicht sein, oder? Tja und dann behaupten Politiker und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, das Amt sei wichtig, da es als Frühwarnsystem zu betrachten sein. Der Meinung sind die Autoren von #NachDemVerfassungsschutz allerdings nicht. Sie schreiben, dass unsere Demokratie so stark ist, obwohl es den Verfassungsschutz gibt und nicht, weil es ihn gibt. Machen Sie sich selbst ein Bild und lesen Sie dieses interessante Buch.

 

Herr Leggewie und Herr Meier sind der Meinung, dass die Behörde innerhalb von 5 Jahren abgewickelt werden könnte. Zitat aus dem Buch:

Der beste Republikschutz ist eine wache und aufmerksame Öffentlichkeit.

 

Noch ein interessanter Fakt, den ich so nicht kannte: Je eifriger die Medien über Rechte Gesinnung und deren Anhänger schreiben, desto mehr Unterstützung bekommen sie vom Staat. Sei es eine Stiftung, wie die Antonio-Amadeus-Stiftung oder Jugendorganisationen, die Aufklärungsarbeit leisten. Alle sind auf Unterstützung angewiesen.

 

Im Anhang von #NachDemVerfassungsschutz gibt es Vorschläge der Autoren, was gegen radikale Neonazis getan werden kann. Es wird auch beschrieben, welche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem NSU ergriffen wurden. Es folgt eine kurze Dystopie von Karl Tallhover. Er beschreibt den letzten Tag des VS in Köln. Zum Schluss folgt eine Auswahl weiterführender Literatur sowie die Erklärung zu den zahlreichen Fußnoten.

 

Diese Rezension ist für mich ungewöhnlich lang geworden. Dabei habe ich mich kurz gefasst. Es ist aber zu sehen, wie die Autoren mit der Daseinsberechtigung des Verfassungsschutzes umgehen. Ein spannendes Werk, durch das ich viel gelernt habe. Eins fehlt mir aber doch: Die Aussage, wie gefährlich der Kampf gegen Rechte Gesinnung für Privatpersonen ist. Morddrohungen sind dabei noch die geringste Gefahr.