Rezension

Entdeckungsreise

Albert muss nach Hause
von Homer Hickam

 

Es ist eine merkwürdige Reisegesellschaft, die sich da auf den Weg nach Orlando macht: ein junges Ehepaar aus Virginia mit einem grinsenden Alligator auf dem Rücksitz eines alten Buick und einem stummen Hahn auf seinem Rücken.

Homer Hickam, der in Coalwood sein Geld beim Bergbau verdient, und seine junge Frau Elsie wollen Albert, den sie als Baby zur Hochzeit geschenkt bekamen, in seine artgerechte Umgebung nach Florida zurückbringen; denn langsam wird ihr geliebtes Haustier zu groß für ihr Heim. Soweit das vordergründige Thema des Romans, doch es steckt wesentlich mehr dahinter. Während Homer nämlich das Ziel ihres Unternehmens stets fest im Blick behält, scheint Elsies Motiv in erster Linie die Reise um ihrer selbst willen zu sein. In der Tat wird sie für die zwei derart gegensätzlichen Charaktere eine Prüfung, aber gleichzeitig auch eine Chance; eine Reise, „um zu entdecken, wer sie wirklich sind.“

Wie ein Puzzle setzt der Autor die Abenteuer dieser Fahrt zu einer geistreichen Geschichte zusammen; ebenso Stück für Stück, wie  seine Eltern (denn sie sind diejenigen, die diese Reise in ihrer Jugend angetreten haben) sie ihm im Laufe der Jahre erzählt haben. In legerem, frischem Ton erzählt er von den skurrilen, oft auch gefährlichen Erlebnissen und Begegnungen, die sie unterwegs haben, und die im Verlauf der Reise immer verrückter erscheinen. Wieviel davon mag der Wahrheit entsprechen?

Sehr eindrücklich und ohne zu beschönigen beschreibt Hickam die Zeit, in der sich diese Geschichte abspielte: die Weltwirtschaftskrise, in der Arbeitslosigkeit, Armut, Depression herrschten. Doch immer wieder vermischt er den ernsthaften Hintergrund mit trockenem Witz und reichlich (Galgen-)Humor. Der manchmal naiven, aber stets jung erscheinenden und so optimistischen Art, in der das Paar sein Unterfangen durchführt, ist auch Hickams Erzählton angepasst. Es wird klar, dass eine Ehe nicht nur „Honeymoon“ bedeutet und Liebe keinem logischen Muster folgt; und so ist das Leitmotiv der Reise mit Alligator und Hahn mit der immer präsenten Frage nach der Bedeutung von Liebe und Ehe unterlegt. Der Fantasie des  Lesers bleibt es überlassen, sich das weitere (Zusammen-)Leben der Hickams auszumalen.