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Aus der Mitte des Sees -

Aus der Mitte des Sees
von Moritz Heger

Bewertet mit 4 Sternen

14 Tage im Kloster – Tagebuchaufzeichnung eines jungen Benediktermönchs. Anfangs schwierig zu folgen, doch je besser man Lukas kennenlernt, desto näher kommt er einem. Fragte ich mich anfangs noch, was das soll, war ich schließlich tief beeindruckt.

„Kratzt die Kutte eigentlich“, hat Lucian noch gefragt, als sich unsere Wege trennten, und ich habe gelacht: „Noch so eine Gretchenfrage. Nun, ein Schaf sollte keine Wollallergie haben, das wäre schlecht.“

Dieses Buch beginnt sehr ruhig. Lukas, ein 40jähriger Benediktinermönch – bisher der jüngste im ganzen Kloster – sinniert tagebuchartig über seinen Alltag. Er hält sich gern am Vulkansee auf, wo er meist abends die Natur und das Schwimmen genießt. Tagsüber muss er sich um die Gäste kümmern, die sich eine Auszeit im Kloster gönnen. Besonders viel denkt er über seinen Freund Andreas nach, der mit ihm ins Kloster gegangen war, sich inzwischen aber für eine Familie entschieden hat.

Anfangs fiel es mir schwer, Lukas‘ Gedanken zu folgen. Die Ursprünge klären sich erst nach und nach auf. Deutlicher werden dagegen seine Zweifel: Ist er wirklich an der richtigen Stelle? Am 3. Tag seiner 14tägigen Tagebuchaufzeichnungen stellt er fest:

„Die Natur ist letztlich robust, verglichen mit dem geistlichen Leben. Das ist ein weitaus zarteres Pflänzchen, das bräuchte eine noch viel kargere Umwelt. Aber die Nährstoffe, die in unserer heutigen Gesellschaft den Glauben schon im Kind ersticken, kriegt man nicht reduziert.“

In der ersten Hälfte des Buches hat mich der ewig lange Monolog teilweise noch gelangweilt. Da fragte ich mich noch, warum der Diogenes-Verlag sich darauf eingelassen hat. Die Emotionen waren mir zu distanziert – so, als dürfe Lukas sie nicht zulassen. Einzig beim Schwimmen im See fühlte er sich getragen.

Doch dann trat Sarah in sein Leben und die Erzählung nahm Fahrt auf. Wieder denkt Lukas viel über Andreas nach; erinnert sich an seine Jugend, an seine Freundin. Auch stellt er Verbindungen zu seinen Klosterbrüdern her:

„Ein Kloster ist eine Erinnerungsgemeinschaft, größer als eine Familie und weiter zurückreichend. Hier sind Erinnerungen Tatsachen, tiefe Wurzeln.“

 

Mich hat das Buch tief beeindruckt. Zum einen gefiel mir die Erkenntnis, dass Mönche mehr Freiheiten besitzen, als ich bisher dachte und es immer noch junge Männer gibt, die von einem Leben zwischen Brüdern träumen. Auf der anderen Seite kommen auch Zweifel an der Entscheidung zu diesem zölibatären Leben zum Tragen.

 

Wegen des für mich schwierigen Einstiegs in das Buch ziehe ich einen Punkt von der vollen Punktzahl. Alles in allem kann ich die Geschichte aber voller Überzeugung empfehlen. Es lohnt sich durchzuhalten!