Rezension

Entsprach nicht meinen Erwartungen

Die Angehörigen - Katharine Dion

Die Angehörigen
von Katharine Dion

Bewertet mit 3 Sternen

Lebensglück im Rückblick

„Hinsichtlich eines lebenden Menschen konnte man die Fantasie schweifen lassen, im Falle eines verstorbenen Menschen war jedoch alles abgeschlossen. Was sich zwischen dem Toten und einem selbst zugetragen hatte, spielte in Gegenwart und Zukunft keine Rolle mehr.“

 

Inhalt

 

Gene und Ed sind seit ihren Jugendtagen dicke Freunde, sie haben sich nie aus den Augen verloren und sind gemeinsam mit ihren Frauen gealtert, haben viele Urlaube miteinander verbracht und behandeln die Kinder des jeweils anderen Paares wie ihre eigenen. Doch nun ist Genes Frau Maida plötzlich verstorben, die erste von ihnen, die nun nicht mehr zum eingeschworenen Team gehört. Und dadurch verändert sich unwillkürlich die bestehende Bande, denn Gene merkt, dass Maida ein ganz wesentlicher Bestandteil seines eigenen Ichs war und sich sein Leben ohne die geliebte Frau nun ändern wird. Doch nicht nur das, er beginnt auch seine Vergangenheit zu hinterfragen und bemerkt, dass er niemals zu dem Mann geworden wäre, der er jetzt ist, wenn die Weichen seines Lebens in jungen Jahren anders verlaufen wären. Doch das Alter nimmt keine Rücksicht aus Sentimentalitäten, Gene muss sich mit seiner Gegenwart arrangieren und mit den Erinnerungen aussöhnen …

 

Meinung

 

Auf den Debütroman der kalifornischen Autorin Katharine Dion war ich sehr gespannt, nicht nur weil ich mir eine tiefgreifende, melancholische Geschichte erhofft hatte, sondern in erster Linie einen Familienroman, der die Kraft der Zuwendung durch geliebte Menschen gerade in schweren Zeiten thematisiert. Auf die Angehörigen und ihren Einfluss, auf die Verarbeitung eines schweren Verlusts und möglicherweise auch auf schwarze Stellen in der Vergangenheit war ich eingestellt, doch leider konzentriert sich dieser zeitgenössische Roman auf ganz andere Sachverhalte, die er darüber hinaus auch nur willkürlich aufgreift und sie wie Momentaufnahmen skizziert.

Die große Unbekannte ist hier nicht die Ehe oder die Liebe zwischen Gene und Maida, nein es ist der Lebensverlauf eines gealterten Mannes, der plötzlich seine ganze Vergangenheit in Frage stellt und sich pessimistisch auf ein Leben in Einsamkeit einstellt – eine Entwicklung, der die anderen Menschen in diesem Buch fast gar nichts entgegensetzen können, die sich auch ohne sie vollzogen hätte und nicht minder schnell verlaufen wäre.

 Auch die Charakterisierung der Protagonisten lässt zu wünschen übrig, erscheinen sie doch alle nicht nur blass, sondern regelrecht abgestumpft. Gene, der sich kurz nach der Trauerfeier in eine Affäre mit der Haushälterin rettet, Dary die ewig einsame, alleinerziehende Mutter und Ed, der dem Vergessen nichts entgegenzusetzen weiß.

Ein prinzipiell philosophisches Thema verliert sich hier zwischen dem Irgendwo und dem Nirgendwo – aber auf keiner Buchseite fühlte ich mich einem der Protagonisten wirklich nahe. Sowohl die Grundidee als auch die sprachliche Umsetzung haben mir gefallen, einige Textpassagen fand ich ausgesprochen gelungen, nur die Handlung folgt keiner klaren Ausrichtung. Zunächst eine Männerfreundschaft, die durch die Frauen bereichert wird, dann ein turbulentes Familienleben mit den Kleinkinder, letztlich zwei Familien, die sich nicht viel zu sagen haben, weder zwischen den Paaren noch in der Interaktion mit den Kindern, alle Kraft, alles Leben steht nun hintenan und verzweifelt begibt man sich auf die Suche nach dem Lebensglück im Rückblick.

 

Fazit

 

Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen Roman über das Glück, die Zeit der Erinnerung und die Aussöhnung mit der gelebten Version einer Wunschvorstellung. Irgendwie gehen hier die Ansätze ins Leere, sie zeigen immer nur kurz die Einblicke und stagnieren dann wieder. Dieses willkürliche Verschieben des Grundthemas hat mich ziemlich gestört - ich konnte einfach nicht finden, was ich gesucht habe. Deswegen bin ich gerade von diesem Buch auch ziemlich enttäuscht, denn normalerweise sind es genau die hier angerissenen existentiellen Fragen, die mich persönlich ansprechen, doch vermögen es der resümierende Gene und seine wenigen Vertrauten nicht, mir den Mehrwert der Geschichte zu verkaufen. Prädikat: Nicht so gut, wie erwartet.