Rezension

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Enttäuschend distanzierte Erzählung

Liebe findet uns - J. P. Monninger

Liebe findet uns
von J. P. Monninger

Bewertet mit 2 Sternen

Heather ist mit dem College fertig und macht mit ihren Freundinnen eine Tour durch Europa, bevor der Ernst des Lebens in Form des ersten festen Jobs beginnt.

Jack bewegt sich in Europa auf den Spuren seines Großvaters und trifft Heather im Zug nach Amsterdam.

Mit dabei sind noch zwei Freundinnen von Heather, Constance und Amy; sowie ein Freund von Jack, Raef.

„Liebe findet uns“ will Großes, kann aber nicht genug Gefühl transportieren. Hin und wieder werden die richtigen Dinge in den richtigen Momenten gesagt, aber insgesamt wirkt es sehr überzogen, wenig glaubwürdig und stellenweise sogar inkonsequent. Magie lässt sich nicht erzeugen, sie entwickelt sich aus der Situation heraus. Das wurde hier nicht umgesetzt.

 

Der Prolog ist zu Beginn aus der Sicht des Vaters geschrieben. Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, weil der Erzähler viel von Heather, ihren Freundinnen und der Mutter weiß und Heather persönlich anspricht.

An der Stelle denkt man sich noch nichts dabei und es ist okay. Jetzt frage ich mich, was das für einen Zweck hatte. Der Vater spielt sonst keine so große Rolle, zumindest nicht annähernd so groß, wie es der Prolog vermuten lassen würde.

Im Zug nach Amsterdam lernen Heather und Jack sich auch direkt kennen und diese Szene ist vergleichsweise gut gelungen. Jack wirkt geheimnisvoll, Heather zurückhaltend aber neugierig. Hier im Zug finden auch die wenigen guten, teilweise zitierfähigen Dialoge statt.

„Ein Buch ist doch auch ein Begleiter. Man kann es an besonderen Orten lesen, zum Beispiel im Zug nach Amsterdam. Dann nimmt man es mit nach Hause, stellt es ins Regal, und selbst Jahre später erinnert es einen daran, wie es damals war, im Zug, als man jung war.“ (S. 25)

„Das ist ein Balztanz, um dich kennenzulernen. Es ist nämlich so: ich mag dich. Du hast mir von Anfang an gefallen. Wenn ich Federn hätte, würde ich sie aufstellen und rumstolzieren, um dir mein Interesse zu zeigen.“ (S. 27).

Man hat das Gefühl, dass diese Gespräche wirklich aufeinander abgestimmt sind und eine Bedeutung haben. Während das später im Buch nicht mehr der Fall ist. Da spricht jeder seinen Teil, nimmt aber keinen Bezug auf den Gesprächsfaden des jeweils anderen.

Besonders gut gefallen mir die Stellen, in denen darüber gesprochen wird, dass Bücher einen Mehrwert gegenüber Ebooks haben, weil damit nicht nur ein temporäres Lesegefühl entsteht, sondern darüber hinaus der reine Anblick eines Buches Erinnerungen wachrufen kann, wo man es gelesen hat, wer bei einem war, etc. Und die Stelle mit den Fotos, dass die Erinnerung dadurch verfälscht wird und man gar nicht mehr den Moment genießt, wenn man nur an Später und Fotos machen denkt. Nachvollziehbare Gedankengänge in der heutigen Zeit der schnelllebigen Konsumgesellschaft. Man besinnt sich wieder auf die Ursprünge zurück. Der Ansatz ist hier genau richtig und kann eine tiefere Bedeutung bereithalten.

Weniger gut hat mir gefallen, dass diese Aspekte ein Dauerthema in der ganzen Geschichte sind. Das nimmt dem wieder die Originalität und geht irgendwann auf die Nerven.

Außerdem hat mir nicht gefallen, welches Frauenbild in diesem Roman dargestellt wird. Wir sind längst nicht mehr dort, wo eine Frau sich darüber definiert, was ihrem Mann gefallen könnte, oder dass es wichtig wäre, was andere von dir als Frau denken.

Heather wird im Laufe des Buches immer abhängiger von Jack. Dauernd lässt sie sich zu irgendwas überreden und immer bringt Jack neue Ideen für die weitere Reise auf. Sie lässt sich immer mitziehen, hat aber keine eigenen Bedürfnisse und keine eigenen Vorstellungen und keinen eigenen Willen. Dabei ist das doch ihre Reise! Sie wollte etwas entdecken, etwas neues erleben bevor der Erwachsenen-Alltag losgeht.

Ebenso und fast noch schlimmer ist der Nebenstrang zu Constance. Sie ist der totale Nerd, wird als ätherisch bezeichnet und interessiert sich nur für Heilige, weiß darüber alles und hat sonst keine Interessen oder Ambitionen, ist sonst eher die Langweilige. Aber kaum kommt ein Kerl, der sich für sie interessiert (Wahnsinn, ein „echter“ Kerl interessiert sich für das graue Mäuschen) und prompt wird sie mutiger, traut sich Sachen zu, kommt aus sich heraus. Verändert sich komplett! Und auf einmal ist sie die wahre Constance, die aufgewachte Constance ... was war sie denn vorher? Eine Schaufensterpuppe? War sie ohne den Kerl und in dem sie das tat, was sie interessierte, kein vollwertiger Mensch? Ist man nur dann gut und richtig und „wahr“, wenn man wie die anderen ist?!

Mir gefallen diese ganzen subtilen Andeutungen nicht, die dem Leser ein Bild suggerieren, wie man zu sein hat, um anderen zu gefallen. Und dass man den anderen gefallen muss!

Einer der unlogischen Handlungsstränge ist die andere mitreisende Freundin, Amy. Amy ist neben der vernünftigen und durchorganisierten Heather und der langweiligen Constance, der Männermordende Vamp. Sie nimmt jeden, ganz egal wie lange sie ihn kennt und wo sie gerade ist. Das wird ihr zum Verhängnis und sie verliert ihre Wertsachen und Papiere und muss geläutert zurück in die Staaten. Wie das ohne Ausweis gehen soll, wird nicht weiter erwähnt.

Erst sehr viel später, am Ende der Geschichte wird vermeintlich aufgelöst, was mit Amy passiert ist. Eine ganz diffuse Geschichte, in der sie Drogen konsumiert hat, sich nicht wirklich an den Abend erinnern kann und der Typ mit dem sie zusammen war, sie aber ganz bestimmt nicht vergewaltigt hat, sondern sie nur beklauen wollte.

Eine andere unlogische Szene wird rund um Constance aufgebaut. Sie ist mit den anderen auf Kneipentour und geht Rodeo reiten. Zweimal wird erwähnt, dass Constance das besser nicht getan hätte und dass es eine schlechte Idee wäre, etc. Aber es passiert rein gar nichts. Sie macht alles super, wird Rodeostar genannt und alles ist gut.

Zu den nicht beendeten Handlungssträngen gesellen sich auch noch Schwierigkeiten bei der Übersetzung:

„Sie würden jetzt die Milch an Bord nehmen, richtete er mir über Jack aus.“ (S. 185) – Wieso spricht der Mitarbeiter nicht direkt mit Heather? Bzw. warum heißt es nicht „richtete Jack mir aus“ oder noch besser „erklärte das Besatzungsmitglied Jack und mir“.

Eine andere Stelle auf S. 202 lautet: „Das mit Toms Krebs tut mir leid.“ Hier würde ich her „Toms Krankheit“ schreiben oder „Toms Krebserkrankung“, aber Toms Krebs klingt nach Toms Katze, als wäre seinem Haustier etwas passiert. Sehr unglückliche Formulierung.

Insgesamt hat mich vieles an dieser Geschichte gestört. Der Anfang war noch recht gut zu lesen und hat Lust auf mehr gemacht, aber spätestens nach Seite 150 wurde es immer abstruser, das Frauenbild merkwürdig, die Handlungen verworren und am Ende nicht gut aufgelöst (wenn überhaupt) und dazu noch die sprachlichen Missstände.

Alles in allem bin ich von der Geschichte ziemlich enttäuscht. Die Erzählung empfinde ich eher distanziert, das Romantische ist total überzogen und zu gewollt und die Charaktere, speziell Heather und Jack, sind eher flach.

Zum Ende will ich gar nichts sagen.