Rezension

„Entweder ich ziehe aus oder DU!“

Ich brauchte den Schinken. Wirklich!
von Oonagh O'Hagan

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Autorin Oonagh O’Hagan hat selber viele Jahre das WG-Leben und den WG-Wahnsinn erleben dürfen. Nicht nur ihre eigenen Erfahrungen, sondern auch die von Freunden und Bekannten sind in dieses Buch mit eingeflossen. Im Vorwort ruft sie sogar dazu auf, wenn man selber einen tollen Zettel bekommen hat, der es wert wäre in so einem Buch zu erscheinen, doch diesen samt Geschichte ihr zukommen zu lassen. Sie gibt dafür eine Kontakt-E-Mail-Adresse an.

Das Buch basiert auf Mitteilungen jeglicher Art, die in schriftlicher Form in WGs ausgetauscht oder verbreitet werden und sind in diesem Buch in vier übergeordnete Kategorien eingeteilt.

Die Erste beschäftigt sich mit dem Wohnzimmer, Partys und anderen Exzessen und hat den passenden Titel „Ich zahle die Miete – was machst Du?“. In dieser Kategorie finden sich unter anderem Zettel mit ihren Geschichten zu Dingen, die im Wohnzimmer vorgefunden wurden und dort nicht hingehörten, versteckten Fernbedienungen, fremden Personen in der Wohnung, Warnung vor dem Gerichtsvollzieher aber natürlich auch liebe Botschaften, in denen zum Beispiel zu einer bestandenen Prüfung gratuliert wird.

Weiter geht es mit der Überkategorie „Du stinkst wie der größte Misthaufen im Affenhaus!“ in der es um Körperpflege und Aktivitäten im Badezimmer geht. Auch hier findet sich wieder ein ganzes Spektrum von Nachrichten. Wer hat sich noch nicht über Haare im Waschbecken oder verbrauchtes Klopapier beschwert. Aber manche Nachrichten sind auch außergewöhnlicher. Zum Beispiel gibt es eine in der darauf hingewiesen wird, doch nicht immer die Frühstücksbrettchen im Badezimmer stehen zu lassen. Aber auch leicht gehässige Nachrichten, dass man nun ein deftiges Frühstück essen geht und den Mitbewohner, der die ganze Nacht Radau am „großen weißen Telefon“ gemacht hat, gerne mitnehmen würde. Diese schöne Umschreibung für die Toilette habe ich noch nie gehört und hat mich sehr amüsiert.

Oh ein vermutlich ewiges Thema, das in jeder WG irgendwann mal Probleme macht wird, in der nächsten Überkategorie behandelt – die Küche und alles was dazugehört, mit der passenden Überschrift „Ich brauchte diesen Schinken, verdammt noch mal! Ich brauchte ihn un-be-dingt!“. Es gibt die typischen Zettel und Geschichten zu Mitbewohnern, die nicht spülen und gar neue Lebensformen in Tassen und Töpfen züchten, über ausgeliehenes Essen oder gar fehlendes Essen (wie in der Überschrift), aber auch beispielsweise darüber das Plastik nicht in den Toaster gehört – da frage ich mich doch gleich, welcher Schlaumeier am Werk war. Neben kleinen Zeichnungen zu diversen Küchendingen gefallen mir drei Zettel mit am Besten. Und zwar „He Leute, wo ist die Küche??“ Die Verzweiflung spricht förmlich aus dem Zettel und auch die Wut über den Saustall. „Du bist hier nicht bei Mama.“ Oh ja, wer kennt das nicht aus seiner Kindheit … Abends Chaos und am nächsten Morgen sieht die Küche wieder aus als wäre nie was gewesen, aber jetzt heißt es Selbermachen! Und der beste Zettel schlechthin in dieser Kategorie ist „Da sind Zwiebeln im Gefrierfach“. Ich meine ich hatte auch schon kuriose Dinge im Gefrierfach – die hatten dann aber meist nichts mehr mit Essen zu tun. Was zum Teufel hat der Mitbewohner sich wohl dabei gedacht, die Zwiebeln einzufrieren? Auch die Autorin hat darauf leider keine Antwort bzw. passende Geschichte. Ich stelle mir vor, dass er entweder keinen Platz hatte, sie woanders zu lagern oder sie vor Zwiebelmopsenden Mitbewohnern in Sicherheit wiegen wollte oder aber über einen längeren Zeitraum weg gefahren ist und sich dachte, dass sie dann länger halten – wir werden es leider nie erfahren.

In der letzten Überkategorie „Warum ist mein Bett so feucht?“ geht es um das Schlafzimmer (welches in WGs meist auch noch weitere Funktionen erfüllen muss), Liebe, neue Partner und Sex. Auch hier finden sich wieder Zettel a la „Du bist die Beste“ wieder aber auch über all die Dinge, die nicht so toll sind. Was wenn der Freund auf einmal 24h am Tag da ist, aber die Mitbewohnerin dazu nicht), man merkt, dass jemand in seinem Zimmer war, man nachts heimkommt und eine fremde Person in seinem Bett vorfindet? Und das Schlimmste, was wenn es in der WG funkt … und irgendwann dann nicht mehr. Ist man nur zu zweit, mag das Flirten ja nett sein, hat man allerdings noch einen dritten Mitbewohner, kann dies schnell nervig werden. Und bei Streit oder gar Trennung kann gleich die WG auseinanderbrechen oder aber ein unbeteiligter auf eine Seite gezogen werden. Auch mein gewähltes Zitat für die Überschrift dieser Rezension stammt aus dieser Kategorie. Allerdings klingt es härter als es ist, eigentlich geht es nur um einen Mitbewohner mit einer süßen kleinen Katze … und einem mit großer Tierhaarallergie.

Diese Kategorien werden von der Autorin mit einem erfrischenden Vor- und Nachwort abgerundet. Gerade im Nachwort geht sie noch mal mit viel Witz darauf ein, dass man als WG Mitbewohner zwar wie in der Hölle ohne Brandschutzleiter leidet, man aber auch viele unterhaltsame Momente verpasst wenn man aus der „Ikea-Hölle“ gerettet wurde und nun im Häuschen mit Vorgarten wohnt (S. 188).

Das Buch hat einen eher lockeren leichten witzigen Schreibstil und basiert auf Zetteln und dem was die Autorin dazu weiß, oder sich dazu denkt. Sie lässt viele ihrer eigenen WG-Erfahrungen dabei mit einfließen. Es ist durch seine geringe Dicke und den wenigen Text, da alle Nachrichten im Original auf dem jeweiligen Untergrund der dem Schreiber diente abgedruckt sind. Dies verleiht dem Ganzen aber noch mehr Wirkung, da eben die Zettelwahl und auch die Schriftart etwas über die Gefühle des Schreibers verraten können. Dazu hat jede Überkategorie ein eigenes Seitendesign mit entsprechenden Zeichnungen. Schon auf dem Cover steht, dass es sich hierbei um ein Bilderbuch handelt, und ist dementsprechend auch schnell gelesen. Es lohnt sich aber, immer wieder einfach mal eine Seite aufzuschlagen und sich über die jeweilige Botschaft zu amüsieren. Mir hat es gut gefallen!

Ganz am Ende ihres Nachworts erwähnt sie auch noch, für wen dieses Buch geeignet ist und wem man mit diesem als Geschenk vielleicht etwas sagen möchte. – Muss ich mir nun Gedanken machen, da ich dieses Buch kurz nach ihrem Auszug (wegen beruflichen Gründen) von einer Mitbewohnerin zum Geburtstag bekam?