Rezension

Episch und sehr amerikanisch

Manhattan Beach - Jennifer Egan

Manhattan Beach
von Jennifer Egan

Bewertet mit 4 Sternen

Die Pulitzerpreisträgerin Jennifer Egan hat mit ihrem neuesten Roman „Manhattan Beach“ ein vielschichtiges, spannendes und sehr amerikanisches Buch geschrieben, das Familiengeschichte, Frauenschicksal und ein Sittengemälde New Yorks in den 30er und 40er Jahren in sich vereint und sich locker wegliest. Wer allerdings höchsten Anspruch erwartet, wird enttäuscht werden, allerdings ist ihr Stil gewohnt gekonnt, ihre Recherchearbeit zum Buch äußerst gründlich und die fast episch zu nennende Geschichte verknüpft Wahrheit und Fiktion so geschickt, dass ein Buch vorliegt, bei dem das Lesen großes Vergnügen bereitet.

Im Mittelpunkt der in den 1930er und 1940er Jahren spielenden Geschichte steht die junge Anna Kerrigan, die für Kriegszwecke in der Marinewerft arbeitet. Ihre Mutter kümmert sich um die schwerstbehinderte Schwester Lydia, ihr Vater Eddie ist verschwunden. Annas Leben ändert sich, als sie einen Taucher beim Übungsgang beobachtet, sie kämpft mutig und sehr entschlossen darum, Marinetaucherin zu werden. Und sie trifft Dexter Styles, Verbrecher, Nachtclubbesitzer und Syndikatsmitglied. Für ihn hatte ihr Vater Eddie gearbeitet, bevor er verschwand.
Anna ist als Frauenfigur gezeichnet, die in einer Männerwelt ihren Weg sucht und eisern verfolgt. Sie hat es dabei nicht leicht und muss viele Rückschläge hinnehmen, die immer mit Vorurteilen ihrer Vorgesetzten zu tun haben, nie mit ihren mangelnden Fähigkeiten, denn alle Herausforderungen des Taucherberufes meistert sie gekonnt.
Jennifer Egan schreibt mit der Geschichte der Marinetaucherin Anna eine eindringliche Hommage an Frauen, die in Männerberufen bestehen, sich ihren Weg erkämpfen müssen. Sie taucht dazu in die Vergangenheit eintaucht und ergänzt diese durch Fiktion. Denn in der Realität gab es zu dieser Zeit nie Frauen, die als Taucherinnen in der Marine waren. 

Ein großer Teil der Handlung spielt im Gangstermilieu, Anna ist auf der Suche nach ihrem Vater Eddie, und der Erzählstrang über ihn verfolgt seine Kindheit im Heim zu zwielichtigen Geschäften im Gewerkschafts- und Mafia-Umfeld.
Gekonnt verbindet die Autorin die verschiedenen Ebenen des Buches, allerdings erfordert das Lesen große Aufmerksamkeit, denn die Szenenwechsel und Übergänge bewegen sich hart an der Grenze des „Zuviel“, da die Autorin auch öfters Trips in die Vergangenheit und zurück einbaut.

Ich habe diesen ungewöhnlichen Roman sehr gerne gelesen, und auch wenn der Stoff für mehr als ein Buch gereicht hätte schaffte Jennifer Egan es die ganze Zeit, mich zu fesseln und zu beeindrucken. Völlig zu recht wurde ihr Buch mit Erscheinen in den USA von der Presse gefeiert und stand auf der New York Times-Bestsellerliste.