Rezension

Erdrückend, unerwartet, gut durchdacht

The Girl on the Train - Paula Hawkins

The Girl on the Train
von Paula Hawkins

Jeden Tag zur selben Zeit fährt Rachel mit dem gleichen Zug nach London. Und jedes Mal hält dieser Zug an einer bestimmten Stelle, sodass sie die Häuser draußen beobachten kann. Sie wird auf ein Paar aufmerksam, das sehr glücklich wirkt. So wie sie es einst mit Tom, ihrem Ex-mann, gewesen war. Von nun an beobachtet sie die beiden - sie nennt sie Jess und Jason - jeden Tag und stellt sich vor, wie das Leben der beiden verläuft. Doch dann macht sie eine erschreckende Entdeckung und kurz darauf verschwindet "Jess". Sie sieht sich gezwungen zu helfen und plötzlich steckt sie mitten in der Geschichte mit drin und versucht das Rätsel zu lösen, während sie von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. 

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt - Rachel, Anna und "Jess". Hauptsächlich sehen wir die Dinge aus der Sicht von Rachel, unserer Protagonistin, die vor einiger Zeit von ihrem Mann Tom mit Anna betrogen und dann verlassen wurde. Sie ist eine Alkoholikerin, deren Leben völlig aus den Fugen geraten ist. Sie hat ein sehr trostloses Leben und genau so ist auch die Stimmung in dem Buch. Ich habe mir ständig vorgestellt, wie Rachel im Zug sitzt, draußen grauer Himmel und ständiger Regen. Die Atmosphäre ist bis zur letzten Seite sehr trübsinnig und düster - passend zur Geschichte. Paula Hawkins erschafft mit ihrem Schreibstil im Kopf des Lesers sehr detaillierte Bilder der Umgebung und Personen, ohne sich in ausschweifenden Beschreibungen zu verlieren. Sie weiß genau, welche Worte sie verwenden muss und welche Wirkung sie beim Leser erzeugen. Sie baut somit auch eine sehr erdrückende Spannung auf. Es ist kein nervenaufreibender Thriller. Es ist die gedrückte Stimmung, die sich im Körper ausbreitet und einem ein komisches Gefühl hinterlässt. So war ich zwar jedes Mal wieder sofort in der Geschichte drin, wenn ich zum Buch gegriffen habe. Ich hatte aber andersherum auch keine Probleme, es zur Seite zu legen, weil ich nicht gefesselt war. 

Die Story hat mir anfangs super gut gefallen, zum Ende hin wurde es dann leider etwas schleppend. Der Weg bis zur Auflösung hat mir irgendwann zu lange gedauert. Es wird für meinen Geschmack zu oft auf Rachels Trinkerei eingegangen. Das Ende war dagegen sehr unerwartet und gut durchdacht. Ich habe wirklich erst kurz vorm Schluss einen Verdacht gehabt. Aber auch nur, weil die Autorin es leicht angedeutet hat. Bis dahin hatte ich überhaupt keine Ahnung, wer es sein könnte. Der Schluss hat mir wirklich gut gefallen. Zwischenzeitlich hat es mich ein wenig an "Gone Girl" von Gillian Flynn erinnert. Ich hatte schon Angst, dass es genauso schlecht sein wird, aber es ist im Endeffekt doch völlig anders  - zum Glück.  Mit den Charakteren bin ich leider gar nicht warm geworden. Ich konnte mich in keine Person hineinversetzen und ich mochte sie auch nicht besonders. Die Personen waren jetzt nicht flach oder nervig, aber ich konnte da keine Verbindung aufbauen. Außerdem schien dort niemand normal zu sein, das war schon sehr übertrieben.

"The girl on the train" von Paula Hawkin ist ein Thriller, der anderen Art und Weise, der einem die Brust zusammen schnürt und in eine sehr erdrückende Stimmung versetzt. Die Geschichte ist gut durchdacht und auch das Ende ist schlüssig. Unerwartet, überraschend, aber genau passend. Ich konnte leider keine Beziehung zu den Charakteren aufbauen und stellenweise hatte es ein paar kleine Längen. Trotzdem würde ich dieses Buch jederzeit weiterempfehlen, weil es eben nicht vorhersehbar ist und eine andere Spannung erzeugt, als übliche Thriller!