Rezension

Erdtoffeln

Die Gleichung des Lebens - Norman Ohler

Die Gleichung des Lebens
von Norman Ohler

Bewertet mit 4 Sternen

1747. Friedrich der Große möchte aus Teilen des Oderbruchs Ackerland schaffen, um dort Kolonisten anzusiedeln und somit die Bevölkerungszahl Preussens schnell zu erhöhen. Ernährt werden sollen die Neubürger mit den bislang noch relativ unbekannten "Erdtoffeln", sprich mit Kartoffeln. Die bisherigen Bewohner der Gegend, traditionell Fischer, sind nicht erfreut, Widerstand beginnt sich zu regen. Als der zuständige Ingenieur Mahistre tot aufgefunden wird, beruft der König den Mathematiker Leonhard Euler auf den Plan, der den Fall mit der ihm eigenen Logik lösen und dabei auch das Gebiet gleich ausmessen soll.
Eine grandiose Mischung aus Geschichtslektion und Krimi legt Ohler hier vor. Während man Euler durch das Oderbruch folgt, erfährt man wie nebenbei viel über die ursprüngliche Lebensweise dort, über die Landschaft, über Traditionen und schlußendlich auch darüber, dass Geschichte zu Wiederholungen neigt. Denn zum einen ist eine Trockenlegung natürlich ein riesiger Eingriff in die Natur mit nicht berechenbaren Folgen und zum anderen führt eine großräumige Neuansiedlung ebenso natürlich nicht zu Jubelgeschrei der bereits Anwesenden. Friedrich kümmert das herzlich wenig. Der König bestimmt und seine Untertanen mögen... nein, gehorchen nicht, verstehen und beipflichten sollen sie ihm, der ja nur ihr Bestes will. Das sein Plan nur am Reißbrett entworfen wurde, ohne wirkliche Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten, ist dabei zweitrangig.
Scheinbar gründlich recherchiert, hat mich der Roman auf ganzer Linie überzeugt. Selbst die Sprache, mit verschachtelten Endlossätzen, normalerweise der Tod jedweder Spannung, erscheint hier nur richtig und passend. Erinnern die Formulierungen doch an die damals übliche Redeweise. Die Charaktere sind schlüssig, wenn auch nicht alle gleich gut ausgearbeitet, das wäre aber auch rahmensprengend gewesen. Die Erinnerung an Preussens Verknüpfung mit dem Sklavenhandel in Westafrika fand ich äußerst interessant, war mir das Wirken der Brandenburgisch-Afrikanischen Companie doch gänzlich unbekannt. Ohler führt einige hoch spannende Fäden zusammen und gibt damit Einblick in eine Zeit, die romantechnisch noch ziemliches Brachland ist. Wer also Bücher mit historischem Hintergrund mag, der dürfte mit diesem Roman sicherlich glücklich werden.