Rezension

Ereignisreiche Zeiten für die Gerbans

Das Weingut. Tage des Schicksals - Marie Lacrosse

Das Weingut. Tage des Schicksals
von Marie Lacrosse

Bewertet mit 5 Sternen

1877 Pfalz. Das Weingut ist seit einigen Jahren die Heimat von Franz Gerban und seiner Frau Irene, dem ehemaligen Dienstmädchen, die dort mit ihren Kindern bisher glücklich zusammenleben. Aber Franz‘ politische Ambitionen sowie das Weingeschäft lassen ihn immer weniger Zeit für die Familie finden, was nicht nur dazu führt, dass Irene sich alleingelassen fühlt, sondern sie regelrecht auf die Idee bringt, sich selbst für die Rechte der Arbeiterfrauen zu engagieren. Dass sie dabei ihren ehemaligen Liebhaber Josef wiedertrifft, verschweigt Irene Franz wohlweißlich. Allerdings kommt es bald ans Tageslicht und lässt die Ehe zwischen Franz und Irene zu einem Pulverfass werden, das jede Minute explodieren kann. Dann kommt auch noch ein Geheimnis ans Licht, dass nicht nur für Franz eine große Überraschung ist…

Marie Lacrosse hat mit „Das Weingut-Tage des Schicksals“ den finalen Band ihrer Weingut-Trilogie vorgelegt, der den krönenden Abschluss der Geschichte um Franz und Irene bildet. Der Schreibstil ist flüssig, bildreich und gefühlvoll, der Leser ist von der ersten Zeile an gefesselt und lässt sich zum letzten Mal auf dem herrlichen Weingut nieder, um die Familie Gerban, ihre Freunden und Widersacher ein letztes Mal zu begleiten und schicksalhafte Tage mit ihnen zu verbringen. Mit ihrer akribischen Recherche gelingt es der Autorin, auch in diesem Teil der Trilogie den Leser wieder mit fundiertem historischen Hintergrund zu versorgen, den sie erneut famos mit ihrer Geschichte verwebt hat. Nicht nur die unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse untermauern die Handlung, vor allem lässt sie den Leser an der Frauenrechtsbewegung und den unerträglichen Arbeitsbedingungen der arbeitenden Bevölkerung nahezu bildlich teilhaben. Aber allem voran sind es die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander, die immer wieder für spannende Momente sorgen. Zusätzlich erhält der Leser ausführliche Informationen über die Widrigkeiten im Weinbau, allen voran die schädliche Reblaus. Lacrosse lässt auch in diesem Teil wieder allerlei gutdurchdachte Wendungen einfließen, so dass der Leser immer wieder aufs Neue spekulieren und miträtseln kann, wie wohl alles am Ende ausgeht. Die Landschaftsbeschreibungen sind farbenfroh und lassen den Leser von einem Streifzug durch die Weinberge träumen. Der Spannungslevel ist wieder hoch angelegt und hält den Leser durchgängig in Atem.

Die bereits liebgewonnenen Charaktere erfahren auch in diesem Teil eine Weiterentwicklung und bestechen durch Wahrhaftigkeit und Authentizität. Der Leser fühlt sich als Teil der Familie, ist in vieles eingeweiht und kann so mitleiden, mitfiebern und hoffen. Irene ist an ihrer Position als Gutsherrin gewachsen, hat aber ihre Herkunft nie vergessen. Sie ist eine tatkräftige und unangepasste Frau, die ihrem Herzen folgt, auch wenn es dabei oftmals nicht ohne Blessuren abgeht. Franz ist ein feiner Kerl und zudem ambitioniert. Sein Tag müsste eigentlich mehr als 24 Stunden haben, so kann er einigen Dingen nicht Rechnung tragen, und seine Familie kommt dabei definitiv zu kurz. Sowohl Mathilde als auch Tante Ottilie sind zwei streitlustige und intrigante Damen, die mit ihrer Boshaftigkeit immer wieder für spannende Entwicklungen sorgen. Aber auch Sophia, Klara, Thea, Marie oder Pauline haben wichtige Rollen innerhalb der Handlung und sorgen für einigen Wirbel.

Mit „Das Weingut-Tage des Schicksals“ ist Marie Lacrosse ein fulminanter Abschluss der Weingut-Trilogie gelungen. Neben einem wunderbar recherchierten Hintergrund und einem herrlichen Erzählstil sind es vor allem die lebendigen Charaktere, die das Herz des Lesers im Sturm erobern. Der Abschied fällt schwer, da man als Leser bereits Teil der Weinbauerfamilie geworden ist. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight dieses Jahres! Chapeau – besser geht es nicht!!!