Rezension

Erfinden heißt Erinnern

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war - Joachim Meyerhoff

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
von Joachim Meyerhoff

Bewertet mit 5 Sternen

"Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war". Der Titel des neuen Buchs des Schauspielers Joachim Meyerhoff ist weit mehr als nur witzig, originell, Aufmerksamkeit heischend. Er beschreibt ziemlich deutlich das Konzept des Erzählten. Es sind die Kindheits- und Jugenderinnerungen, stark autobiographisch an diejenigen Meyerhoffs angelehnt, der in Schleswig zusammen mit zwei Brüdern und einem geliebten Hund inmitten der Kinder- und Jugendpsychiatrie Schleswig, deren Direktor der Vater war, aufwuchs. Aber das Buch trägt bewusst die Bezeichnung "Roman", wie auch schon der erste Band des autobiografischen Projekts namens "Alle Toten fliegen hoch", der ein Auslandjahr in den USA beschrieb. Denn Meyerhoff will mit seinem Erzählen

"all diese abgelegten Erinnerungs-Päckchen wieder aufschnüren und auspacken, ..., die scheinbare Verlässlichkeit der Vergangenheit aufgeben, sie als Chaos annehmen, sie als Chaos gestalten, sie ausschmücken..."

Und er weiß genau, wie trügerisch Erinnerung ist. Nicht zufällig beginnt das Buch mit einer Episode, in der der gerade 7jährige in einer Schrebergartenkolonie einen Toten findet. Ihm wird zunächst nicht geglaubt, aber je häufiger er die Geschichte erzählt, je mehr er sie mit Erdachtem ausschmückt, um so realer wird sie für ihn. "Erfinden heißt Erinnern."

Geprägt ist der Erzählstil von der Mündlichkeit. Am Anfang stand ein Bühnenprogramm, in dem Meyerhoff dem Publikum aus seiner Jugend erzählte. Und so holt er Anekdote um Anekdote hervor um diese leicht schräge Familie in dem vollkommen schrägen Lebensumfeld. Die Bewohner der Psychiatrie werden dabei sehr liebevoll geschildert ohne ihnen ihr Verrücktsein zu nehmen, aber immer dabei ihre Würde zu wahren. Auch mit der Familie geht der Autor liebevoll, zärtlich, ironisch um, ohne zu verklären. Besonders der Vater, der bewunderte "Bildungsbuddha" in seinem Ohrensessel, den man fast immer lesend antrifft, der ein unglaubliches Wissen angehäuft hat ohne irgendeine praktische Lebenstüchtigkeit, rückt in den Mittelpunkt des Erinnerns. Selbstironisch betrachtet er auch sich, das hyperaktive, zu extremen Zornausbrüchen neigende Kind, die "blonde Bombe". Zum Ende hin wird das Buch melancholischer, wird von Verlusten geprägt: dem Unfalltod des Bruders, dem Sterben des Familienhundes, der Trennung der Eltern und schließlich dem Krebstod des Vaters. Hier kommt ihm der Autor noch einmal sehr nahe, und dieses Sterben ist neben Tod und Beerdigung des Hundes das Berührendste an diesem wunderbaren Buch. Hier ist Meyerhoff das geglückt, was er beabsichtigt hatte, hier sind seine "Toten wieder lebendig" geworden. Und wir werden sie dank diesem mal brüllend komischen, mal melancholischen, mal tieftraurigen Buch nicht vergessen.