Erfrischend amüsanter Beginn, aber dann nur eine erotische Geschichte mit eindimensionalen Charakteren und einer Überdosis an Sex und dirty talk
Bewertet mit 2 Sternen
Stella ist 34 Jahre alt, erfolgreiche Ökonometrikerin, unfassbar reich, hat aber keine Ahnung von der Liebe. Sie leidet unter dem Asperger-Syndrom, einer Variante des Autismus, und hat deshalb enorme Probleme auf zwischenmenschlicher Ebene zu interagieren und fühlt sich deshalb oft überfordert und reizüberflutet.
Sie hat dennoch die Hoffnung nicht aufgegeben, die Liebe und den passenden Partner zu finden und denkt, dass ihr einfach nur die Übung fehlen könnte. Sie engagiert daraufhin Escort Michael, ihr das Küssen und noch viel mehr beizubringen, um sicherer im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu werden.
Michael arbeitet aufgrund einer finanziellen Notlage als Escort und hat wegen seiner schlechten Erfahrungen den Vorsatz gefasst, sich nur einmalig mit einer Frau zu treffen, um die Nacht mit ihr zu verbringen. Von Stella ist er jedoch so fasziniert, dass er für sie eine Ausnahme macht.
"Kissing Lessons" wurde von "Goodreads" als bester Liebesroman des Jahres 2018 ausgezeichnet und beginnt auch erfrischend unterhaltsam, so dass ich den Roman von Helen Hoang, die offenbar selbst am Asperger Syndrom leidet, nach der Leseprobe weiter lesen wollte. Der weitere Verlauf des Romans war für mich jedoch enttäuschend, da die Geschichte sich denkbar platt entwickelte und letztlich vorhersehbar ist. Voll von Klischees und rein auf das Sexuelle abzielend ist das Buch weder originell noch romantisch.
Die Beziehung zwischen Stella und Michael entwickelte sich - gerade im Hinblick darauf, dass Stella aufgrund ihrer Störung Probleme hat, mit Gefühlen umzugehen und sie richtig zu deuten und Michael Frauen bisher nur als Objekt seiner Begierde betrachtet hat - viel zu schnell, ohne dass romantische Gefühle zwischen den beiden zu spüren waren.
Ohne große Annäherungen ging es direkt zur Sache. Stella konnte sich bereits während des ersten Dates auf Michael einlassen und dieser war auch unmittelbar dazu bereit, seinen Grundsatz zu brechen und ihr an mehreren Abenden Unterricht zu erteilen und sich als ihr persönlicher "Übungsfreund" zur Verfügung zu stellen. Geld spielte für den bad guy keine Rolle mehr, er wollte einfach nur noch "seine" Stella befriedigen und besitzen. Die eigentlich intelligente Stella lief ihm wie ein läufiges Hündchen hinterher.
"Kissing Lessons" ist eine erotische Geschichte mit eindimensionalen Charakteren, einer völlig banalen Handlung und einer Überdosis an Sex und dirty talk, die mich nicht dazu verleiten kann, weitere Teile der "Kiss, Love and Hearts"-Trilogie zu lesen. Statt der erhofften originellen Liebeskomödie habe ich einen pornografischen Roman mit sich monoton wiederholenden expliziten Szenen erhalten.
Die Moral von der Geschichte, Liebe mit Ökonomie zu vergleichen und Kaufen bzw. Geschenke als DEN Liebesbeweis zu sehen, finde ich nicht nur unglaubwürdig, sondern auch bedenklich. Man gewinnt den Eindruck, dass Liebe tatsächlich käuflich ist und dass Liebe nur aus Sex besteht bzw. durch den wollüstigen Sex entwickelt. Eine gemeinsame emotionale Ebene von Stella und Michael gibt es nicht bzw. konnte sich in der Kürze der Zeit nicht entwickeln, weshalb es schon fast lächerlich erscheint, dass die beiden doch wirklich schon über Heirat nachzudenken scheinen. Stellas Asperger-Syndrom und ihre daraus resultierende mangelnde soziale Kompetenz geriet völlig in den Hintergrund bzw. war in Bezug auf Michael nur durch seine Finger in ihrem Höschen schon behoben.