Rezension

Erfrischend ehrlicher Bericht einer Ehrenamtlichen

Norahib bikom heißt willkommen - Bettina Schuler

Norahib bikom heißt willkommen
von Bettina Schuler

Bewertet mit 4 Sternen

Zum Inhalt

Bettina Schuler ist Journalistin, Autorin, Yogalehrerin und Mutter. Eigentlich hat sie damit schon genug zu tun. Doch als sie 2014 die verstörenden Bilder der vielen Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland sieht, möchte sie unbedingt helfen. Aber womit wäre den Hilfesuchenden gedient, das Bettina bieten kann und in ihren eng gestrickten Zeitplan passt? Kurzerhand beschließt sie, weiblichen Flüchtlingen Yogaunterricht zu geben.

Nach anfänglichen Berührungsängsten gewinnt Bettina ihre Yogaschülerinnen schnell lieb, vor allem die Syrerin Arwa. Zusammen mit ihren beiden Teenager-Kindern ist diese wie so viele andere ihrer Landsleute vor Krieg und Terror nach Europa geflohen und in Berlin gelandet. Ihr Mann hängt zu dieser Zeit noch in Italien fest.

Fortan begleitet Bettina Arwa zu nervenaufreibenden Behördengängen, Arztbesuchen oder bei der Wohnungssuche. Aus einem Ehrenamt erwächst echte Freundschaft zwischen den beiden Frauen, und Arwas Familie wird bald ein fester Bestandteil von Bettinas Leben.

 

Meine Meinung

Die Flüchtlingskrise ist aktuell wie nie zuvor. Während die Politiker diskutieren, ohne handfeste Lösungen zu präsentieren, können Behörden und Sozialarbeiter das enorme Pensum kaum noch stemmen. Hier setzt die Arbeit der Ehrenamtlichen an.

Die Autorin stolpert regelrecht in ihr Ehrenamt und muss erst langsam hineinwachsen. Sie ist genauso unbedarft wie der Durchschnittsbürger, so dass ich mich gut mit ihr identifizieren konnte. Sie stellt sich simple Fragen, die wohl jeden beschäftigen, der sich überlegt, ein Ehrenamt zu übernehmen: Kann ich das? Was genau kann ich bieten, das von Nutzen ist? Habe ich überhaupt Zeit dafür? Werde ich das auch dauerhaft durchziehen?

Neben der Handlung, die episodenhaft erzählt wird, macht sich die Autorin viele Gedanken über ihr Ehrenamt und eine gelingende Integration von Flüchtlingen. Sie sieht sich mit vielen neuen Dingen konfrontiert und stößt manchmal auch an ihre Grenzen, z. B. wenn es um die Idiotie von gesetzlichen Regelungen oder die Sturheit mancher vorurteilsbehafteter Menschen geht. Manchmal fragte ich mich jedoch, ob die Autorin, die ja als Akademikerin und Journalistin sicherlich sehr belesen ist, wirklich so wenig Wissen zu manchen Themen hatte oder ob die vielen, regelrecht belehrenden Gespräche mit Anderen nur ein Stilmittel waren, um den Leser auf den gleichen Wissensstand zu holen.

Der Schreibstil ist - auch dank vieler Dialoge - lebendig und das Buch lässt sich wirklich angenehm und schnell lesen. Manche Kapitel hätte ich mir aber ein bisschen ausführlicher gewünscht. Trotz der ernsten Thematik ist das Buch nicht schwermütig, sondern durchaus auch humorvoll. Für die meisten Schmunzler hat bei mir wohl die 16jährige Arees gesorgt, die zwar eine anstrengende Flucht aus einem von Bürgerkrieg zerrütteten Land hinter sich hat, aber dennoch letztendlich vor allem eins ist: Ein Teenager auf der unermüdlichen Suche nach WLAN. Ich gebe zu, dass es mir bis dahin gar nicht in den Sinn kam, dass ein syrisches Mädchen als Emo herumläuft. Aber ja, warum eigentlich nicht?

Mein persönlicher Held war aber Bettinas Ehemann Karl. Er unterstützt das Engagement seiner Frau, nimmt Arwas Familie mit offenen Armen auf und agiert ein bisschen als kleines Engelchen auf der Schulter, das der Autorin immer dann den Spiegel vors Gesicht hält, wenn sie in ihrem Eifer auch mal unfair wird gegenüber anderen Ehrenamtlichen oder denen, die sich gar nicht engagieren. Oft muss Bettina einsehen, dass sie manchmal zu vorschnell urteilt und die Ansprüche, die sie an andere hat, selbst nicht (immer) erfüllen kann.

Wie der Untertitel bereits sagt, steht die Geschichte von Arwa und Bettina und ihrer besonderen Freundschaft im Mittelpunkt. Es werden zahlreiche Themen angesprochen, die mit der Flüchtlingskrise einhergehen, die aber aufgrund ihrer Komplexität hier nur oberflächlich behandelt werden können. Wer sich über die Thematik an sich informieren will, sollte besser (zusätzlich) zu einem Sachbuch greifen. "Norahib bikom" hat sicherlich nicht den Anspruch, umfassend über die Flüchtlingskrise aufzuklären, sondern ist ein Erfahrungsbericht, der unterhalten und Lust auf ein Ehrenamt machen soll. Und das tut er auch.