Rezension

Erfrischend liebenswert

Liebe unter Fischen - René Freund

Liebe unter Fischen
von René Freund

Sie sind es leid, ständig und für jedermann telefonisch erreichbar zu sein und sind überlastet mit den unbeantworteten Telefonaten auf ihrem Anrufbeantworter? Dann habe ich einen sehr hilfreichen Tipp für sie. Leihen sie sich einfach diese Ansage eines bekannten und erfolgreichen Lyrikers: „Anrufbeantworter von Alfred Firneis. Bitte hinterlassen Sie keine Nachricht. Ich rufe nicht zurück“ Ich gebe zu, von einem Lyriker erwartet man etwas mehr, aber dieser Spruch ist sehr bezeichnend für Alfreds momentane Situation, denn nach großen Erfolgen steckt Alfred Firneis in einer tiefen Krise. Er fühlt sich ausgebrannt, zu leer, um Gedichte für einen neuen Band zu schreiben. Lieber vergräbt er sich in seinen vier Wänden, isoliert sich von der Außenwelt und betäubt seine schlechten Gefühle mit Alkohol. Susanne Beckmann, seine hartnäckige Verlegerin, lässt sich allerdings nicht so leicht abwimmeln, weil nur ein neuer Gedichtband von Alfred ihren hoch verschuldeten Kleinverlag retten könnte. Mit großer Überredungskunst bringt sie ihn sogar dazu, in die Alpen zu verreisen, mit der Hoffnung im Gepäck, dort neue Kraft und Ideen für ein neues Werk zu bekommen.

Man nehme einen ausgebrannten launischen Lyriker und mische ihn mit einer hartnäckigen scharfzüngigen Verlegerin, der das Wasser bis zum Hals steht. Gibt danach einen Schuss eines nie um eine alpine Weisheit verlegenen österreichischen Försters dazu und versüßt das Ganze mit einer sehr reizvollen slowakischen Biologin. Heraus kommen eine Geschichte, deren literarische Figuren im Sturm das Herz der Leser erobern und ein besonderer Lesegenuss, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Für mich war es eine perfekte Mischung, denn durch die verschiedenen und oft spleenigen Verhaltensweisen der Akteure, prallten oft Welten aufeinander und der Leser findet sich in sehr erheiternden und belebenden Situationen wieder. Diese Geschichte war für mich wie ein kleiner Urlaub. Als würde ich mit Alfred zu der kleinen Hütte am See reisen, die Umgebung der Alpen in mich aufnehmen und bestaunen, mich ab und an mit einem kleinen Bad im See erfrischen. Ich wurde stummer Zeuge von vielen lustigen aber auch sehr eindringlichen, liebenswerten und nachdenklichen Momenten. 
Erst in dieser imposanten Kulisse lernte ich den launischen Lyriker wirklich kennen. In vielen Momenten reflektiert er über sein Leben und beschreibt einige Situationen, in denen ich mich als Leser auch ein Stück weit wieder erkannt habe. Zwangsläufig tat ich es ihm gleich und wurde nachdenklich.
Freund hat sich mit den Beschreibungen seiner Figuren, denke ich, bewusst zurück gehalten, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, sie für sich selbst zu gestalten. Gerade deswegen kann jeder Leser die Figuren unterschiedlich erleben und mit ihnen sympathisieren. Auch in der Handlung gab es immer sehr viel Freiraum, um der eigenen Phantasie freien Lauf zu lassen und Szenen für sich weiterzuspinnen. Viele Sätze hatten eine besondere Wirkung, einen besonderen Klang und um diesen vollends entfalten zu lassen, musste ich sie öfter lesen, um sie richtig genießen zu können. Einige Zitate ließen mich nicht mehr los und mussten in meinem „Die schönsten Zitate-Buch“ verewigt werden. Diese Geschichte hat nicht nur durch die imposante Kulisse in mir ein unstillbares Fernweh ausgelöst und ich habe mich nach dem Lesen direkt ins Reisebüro begeben, um eine Hütte in den Bergen zu mieten (leider mit Strom und fließend Wasser). Als Reiseführer werde ich „Liebe unter Fischen“ mitnehmen und es während der Zeit auf der Hütte erneut lesen. Und wahrscheinlich werde ich dabei über viele neue Aspekte stolpern und die Geschichte noch einmal neu erleben.

„Liebe unter Fischen“ von René Freund ist eine erfrischende, lustige, liebenswerte und intelligente Geschichte, die man immer wieder hervorholen kann, wenn man seine Laune verbessern möchte oder einen kleinen Urlaub vom Alltag braucht. Es ist eine Geschichte, die von seinen sehr menschlichen Figuren, Situationskomik und spritzig flotten Dialogen lebt und ein Garant für gute Laune ist.