Rezension

ergreifend und erschütternd

Schloss aus Glas
von Jeannette Walls

Bewertet mit 5 Sternen

Lange hat sich die Journalistin Walls für ihre Eltern und Kindheit geschämt. Aber dann schildert sie in diesem Buch doch, was sie alles an Ungewöhnlichem, Erschütterndem und auch Schönem erlebt hat. Anfangs merkt man noch, wie sie alles aus Kindersicht sieht; ihre skurilen Eltern (Mutter Künstlerin und lebensuntüchtig, Vater Alkoholiker und Lebenskünstler) und deren Vernachläßigung eher verklärt beschreibt, da sie es nicht anders kennt. Je älter sie wird, desto mehr sieht sie auch die Nachteile des ständigen Vagabundenlebens. Sie vermisst z.B. die Wüste, als die Familie wiedermal von jetzt auf gleich die Flucht ergreift und langsam und zaghaft beginnt sie Dinge kritischer zu sehen. Verletzungen, die nicht ärztlich behandelt werden, der ständige Hunger, Pappkartons in denen geschlafen wird, die leeren Versprechungen des Vaters, der ständig vom großen Durchbruch spricht, die Weigerung der Mutter zu arbeiten, weil sie sich nicht in Normen zwängen lassen will... Aber auch von schönen Momenten wird berichtet, davon, wie der Vater jedem Kind einen Stern schenkt, wie sie mit ihrem Bruder in der Wüste umherstreift, wie ihre Eltern ihr Intersse an vielen Dingen wecken. Doch mehr und mehr nehmen die negativen Dinge überhand : der Vater, der den Kindern ihr hart verdientes Geld klaut, die Mutter, die ihren Kindern das letzte Eßbare heimlich wegißt usw. Als Teenager haust die Familie in einer völlig morschen Bruchbude ohne Strom und Wasser, außer an den Stellen, wo es reinregnet, mit Fußböden und Treppen, die einkrachen und nie repariert werden und sie schafft schließlich den Absprung. Ihr Rückblick wirkt in Anbetracht dessen, was sie erlebt hat eher versöhnlich/nüchtern anstatt anklagend oder sogar haßerfüllt, wie man es erwarten könnte. Das ist auch mit das Erschütternde daran, daß die Eltern immer noch geliebt werden, egal, was vorgefallen ist.

Aber gerade, weil es keine Abrechnung ist, sondern eine Kindheitsgeschichte kommen auch Kinderphantasien, mystisches Denken, Hoffen, Träume und viel Humor nicht zu kurz. Und so bizarr und erschreckend, wie manche Ansichten und "Erziehungsideen" der Eltern auch sind, manches ist durchaus vernünftig und nachvollziehbar, auch wenn die Konsequenz mit der die daraus resultierenden Schlußfolgerungen durchgezogen werden das Ganze wieder ins Groteske kippen.

Auf jeden Fall lesenswert, eine nicht nur erschütternde, sondern auch interessante Lebensgeschichte, die vor allem dadurch besticht, daß sie nicht angreift oder abrechnet, sondern eher wie eine Aussöhnung klingt.