Rezension

Ergreifend und tragisch traurig!

Der Reisende - Ulrich Alexander Boschwitz

Der Reisende
von Ulrich Alexander Boschwitz

Bewertet mit 5 Sternen

Ergreifend und tragisch traurig!

Erzählt wird in „Der Reisende“ die tragische Flucht des jüdischen Kaufmanns Otto Silbermann im Nazi-Deutschland des Jahres 1938. Packend, düster und unglaublich authentisch beschreibt Ulrich Alexander Boschwitz dabei die Verläufe und zieht den Leser gleich mit in einen Sog aus Angst, Misstrauen und Verunsicherung. Wohin nur? Wem kann man noch trauen?! Und was macht letztlich die eigene Persönlichkeit aus, die einem permanent vorgehalten wird und ärgste Konsequenzen haben kann?

Ulrich Alexander Boschwitz, dessen Roman „Der Reisende“ zwar schon 1939 verfasst wurde, aber in diesem Jahr erstmals in Deutschland verlegt wurde, wusste um die Umstände, in denen sich sein Protagonist Otto Silbermann befindet und kannte auch die Zustände, die mit dem Sich-Verstecken-Müssen und der Angst vor Entdeckung einher gingen – war er doch selber Jude. Die Inhalte des Romans sollen teilweise familien-, bzw. autobiografischer Art sein und beziehen sich damit wohl auf die eigene Flucht vor den Nazis, durch diverse europäische Staaten und die persönliche Vater-Sohn-Situation. Das machte den Roman für mich denn umso tragischer, ist doch auch Boschwitz während seiner Flucht durch Torpedos der Nazi auf einem Schiff gestorben.

Durch den eingängigen Schreibstil kommt man sehr gut in die Erzählung hinein und fühlt sich auch sogleich in die vergangene Zeit zurückversetzt. Sprache und Figuren entsprechen natürlich recht stark der damaligen Zeit, was sich vor allem in den Dialogen bemerkbar macht, die Inhalte aber auch umso greifbarer werden lässt. Alle Protagonisten wirken authentisch und nur allzu reell. Otto Silbermann ist zunächst als Hauptprotagonist nicht einmal ein sympathischer Geselle. Doch je mehr sich die Schlinge um ihn herum zuzieht, desto stärker hofft, zittert und bangt man mit und um ihn. Boschwitz entwickelt eine unfassbar packende, intensive und atmosphärische Dichte, der man sich kaum entziehen kann. Es ist wohl denn auch nicht verwunderlich, dass Silbermann nach und nach den Verstand zu verlieren scheint und unter dem Druck der Nazis förmlich zusammenbricht. Eben dieser Prozess des Nachgebens und der Verlust der eigenen Persönlichkeit, bzw. Identität, was man emotional mehr oder minder stellvertretend für so viele verfolgte Menschen des Dritten Reiches im Geiste durch das beschriebene Szenario mit durchlebt, hat mich wahnsinnig ergriffen. Viele Passagen, Fragmente und Sätze sind leider zudem aus heutiger politischer Sicht aktueller denn je. Mich hat der lange verstorbene Boschwitz mit seinem Roman definitiv erreicht und mir sogar die Tränen in die Augen getrieben – nicht nur zum Schluss.

Das Buch klingt bei mir noch sehr nach, obwohl ich es schon vor einiger Zeit beendet habe. Es ist einfach verstörend und tragisch traurig. Ein Buch, das durch die reellen geschichtlichen Inhalte und den ganz besonderen Ton der Erzählung unter die Haut geht und mitnimmt. Ich kann es nur uneingeschränkt weiterempfehlen. Deshalb ganz klar 5 Sterne!