Rezension

Erhellende Sicht auf einen schleichenden Prozess

Die neue Weltunordnung -

Die neue Weltunordnung
von Peter R. Neumann

Rezension
Der 24. Februar 2022 wird als historisches Datum einen festen Platz in der neuesten Geschichte einnehmen. Der Beginn der russischen Aggression gegen das Nachbarland Ukraine wirkt über das eigentliche Ereignis hinaus gleichsam wie ein Brennglas, das erbarmungslos die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte offenlegt. Die westliche Staatengemeinschaft rückt hierbei zunehmend in den Fokus kritischer Betrachtungen, auch selbstkritischer Natur.
Zu Beginn der 90er-Jahre endete mit der Auflösung der Sowjetunion der Kalte Krieg. Politisch herrschte Eitel Sonnenschein. Ein lange währender Weltfriede schien im Großen und Ganzen greifbar und im Zuge der allgemeinen Euphorie wurde gar vom "Ende der Geschichte" geschrieben (Fukuyama).
Drei Jahrzehnte danach zeigt sich zunehmend deutlich, dass die Hoffnung auf anhaltenden Frieden und eine neue Weltordnung, in dem liberale, demokratische Staaten Probleme miteinander und nicht gegeneinander lösen, ein Trugschluss war.
Statt einer neuen Weltordnung entstand -Schritt für Schritt- eine Weltunordnung.

Hiermit setzt sich der international renommierte Sicherheitsexperte Peter R.Neumann in seinem jüngst erschienenen Buch auseinander. 
Chronologisch und systematisch beschreibt er die wesentlichen Meilensteine der weltpolitischen Entwicklungen. Dem Optimismus 1990 bis 2000 (Teil I) folgt eine Phase, in dem internationaler Terrorismus ins Zentrum der Betrachtungen rückt. Die Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York erschüttern die Welt und lösen eine Reihe von Reaktionen, eben auch militärischer Natur, aus. Was in der betreffenden Epoche zumeist als konsequent und richtig angesehen wurde, stellt sich in der retrospektiven Sicht völlig anders dar. Der Beginn einer Zeit, die insbesondere im Nahen Osten für Unruhe und Chaos sorgte, wenn gleich der Arabische Frühling (Teil III) zunächst Anlass zur Hoffnung gab.
Die Politik der Jahre seit 2016 werden im abschließenden Teil IV des Buches beschrieben und beleuchtet. Es waren nicht wenige: der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, die Präsidentschaft Donald Trumps in den USA - beides Entwicklungen, die zur Spaltung einer Nation beigetragen haben, oder beitragen könnten (wie im Falle des Vereinigten Königreichs), bzw. die Staatengemeinschaft in Europa beschädigt.
Nicht zu kurz kommt der neue Gigant auf der Bühne der Weltpolitik: China und last but not least eine vorhersehbare Notlage, die der gesamten Menschheit gefährlich wird: die Klima-Krise.
Der Autor stellt zum Schluss seines Buches einige "Leitideen für eine nachhaltige Moderne" (S. 276ff.) zur Diskussion.

Fazit:
Es fällt recht schwer, ein knapp gefasstes Resümee zum vorliegenden Buch zu schreiben. Die Vielzahl an gut recherchierten, hochinteressanten Informationen, gekoppelt mit der ausgezeichneten Lesbarkeit, für alle verständlich und nachvollziehbar geschrieben, lässt das vorliegende Werk zu einem "großen Wurf" werden, dem eine breite Leserschaft zu wünschen ist!
Positiv empfinde ich zudem, dass es dem Autoren gelingt, aus der Retrospektive zwar den Finger in die (zahlreichen) Wunden zu legen, ohne dass es besserwisserisch oder abgehoben daher kommt. Ziel von Peter R. Neumann ist es ganz offensichtlich nicht, den westlichen Staaten und somit auch uns Deutschen, Fehler "um die Ohren zu schlagen", sondern auf gekonnte Art und Weise zu informieren und schlüssig zu argumentieren.
Der Erkenntnisgewinn beim Lesen des vorliegenden Buches ist aus meiner Sicht enorm. Der rote Faden geht zu keiner Zeit verloren und die Argumentationen regen zu vertiefender Lektüre an.
Ein erhellendes Sachbuch von ganz besonderem Wert!