Rezension

Erinnerer und Bewahrer

Vom Ende der Einsamkeit
von Benedict Wells

Bewertet mit 5 Sternen

Der Ich-Erzähler Jules ist durch den Unfalltod seiner Eltern Vollwaise geworden – ebenso wie seine große Schwester und der ältere Bruder. Alle drei kommen ins Internat und verlieren sich dort. Zum Glück freundet sich Alva mit Jules an, doch beiden gelingt es nicht, sich wirklich zu öffnen.

Das hört sich jetzt trocken an. Doch die Erinnerungen, die bis ins mittlere Erwachsenenleben hineinreichen, lesen sich sehr emotional. An manchen Stellen zog mich die Geschichte so sehr in sich hinein, dass ich das Gefühl hatte, mich selbst darin zu bewegen. Das Buch trieb mir Tränen in die Augen, wühlte mich auf, lässt mich immer noch nicht los.

So wie das Geheimnis von Jules Vater in seiner Stimme bestand („wie ein unsichtbares Lasso legte sie sich um seine Zuhörer und zog sie näher zu sich heran“ - Seite 17), besteht das Geheimnis des Autors in seinem Stil, der sich auf die gleiche Art beschreiben lässt. Wells schreibt mitfühlend über Höhen und Tiefen im Leben. Erzählt er im ersten Teil des Romans noch die Familiengeschichte und die Zeit im Internat, als die Kinder auseinanderdrifteten, erleben wir Leser im zweiten Teil die erneute Annäherung der Erwachsenen.

Das Buch behandelt mehrere Themen: Trauer auf verschiedenen Ebenen und vor allem die unterschiedlichen Arten von Liebe. Dabei werden Verlust, Sehnsucht, Schuld, die Suche nach der eigenen Identität, sowie Krankheiten und Angst erlebbar gemacht. Auch wenn das Leben in der Realität all das bereit hält, war es mir zum Ende hin fast zuviel des Guten. Trotzdem hat mich das Buch so tief beeindruckt, dass es bestimmt nicht mein letztes von diesem jungen Autor ist, der mich mit seiner Lebensweisheit und Erfahrung überrascht hat.