Rezension

Erleichternde Stille?

Still Chronik eines Mörders - Thomas Raab

Still Chronik eines Mörders
von Thomas Raab

Bewertet mit 4 Sternen

"Still" weist mitunter leichte Ähnlichkeiten mit "Das Parfum" von Patrick Süskind auf, denn ebenso wie der Protagonist dort (Jean - Baptiste Grenouille) hat Karl Heidemann ein ausgeprägtes Gehör. Geräusche erschlagen ihn förmlich. Bei Jean - Baptiste Grenouille ist es der Geruchssin, daher meine Parallelen. Natürlich ist "Still" vom Stil und Handlung her ganz anders, dennoch kamen mir die Parallelen immer wieder in den Sinn. Auch Karl Heidemann entwickelt sich zu einem Mörder, denn in der Stille des Todes scheint er bereichert zu werden.

Der Stil des Buches ist hochgradig und verlangt vom Leser äußerste Konzentration, damit die geschriebenen Worte eine Wirkung erzielen können. Wir lernen Karl Heidemann als echtes Schreibaby kennen, der es seinen Eltern nicht leicht macht, Liebe zu ihm zu entwickeln. Seine Mutter ist mit ihm völlig überfordert, denn Karl ist schwierig und  gönnt seinen Eltern kaum Ruhepausen. Erst als sie erkennen, was an ihrem Sohn anders ist, können sie handeln, dennoch fällt es schwer Beziehungen aufzubauen. Hinzu kommt, dass Karl nicht spricht, wie sollte so also Kommunikation möglich sein?

Als Karl Heidemann den Frieden des Todes für sich entdeckt, beginnt er zu handeln und einige Leichen säumen seinen Weg. Das Dorf in dem er heranwächst ist nicht mehr sicher und so muss Karl fliehen. Nachdem Karl die Liebe entdeckt, dehnt sich dieses auf sein gesamtes Denken und Handeln aus und als Leserin hatte ich oft Hoffnung, dass sich auch seine Gesinnung des Tötens betreffen ändern wird, aber wie sollte dies geschehen können, wenn doch alles in Karl danach drängt tiefen, innerlichen Frieden zu finden?

Die Atmosphäre des Buches ist beängstigend und beklemmend. Auch wenn der Thriller nicht übermäßig blutig erscheint, geht er doch sehr an die Psyche, da wir sehr intensiv in Karls Gedanken und Emotionen eintauchen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für "Still", da dieser Thriller definitiv nicht still ist und Schmerz, Trauer und auch Verwirrung miteinander verbinden kann. Ein junger Mann, dem sein Gehör regelrecht Schmerzen bereitet und sich gegen die Eindrücke dadurch nur wehren kann, indem er sich dem Tod gegenüber öffnet. Ein leichter Spannungsbogen lässt sich auch erkennen, da "Still" nicht einen Moment vorhersehbar ist und es dem Autor gelingt, uns immer wieder zu überraschen. Ein guter und solider Thriller, den es zu lesen gelohnt hat.