Rezension

Ermitteln, wo andere gern Urlaub machen

Die Toten von Marnow - Holger Karsten Schmidt

Die Toten von Marnow
von Holger Karsten Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

Im Jahrhundertsommer 2003 stirbt in der Hinterhofwohnung eines Rostocker Plattenbaus ein Mann in mittleren Jahren, den man für ein unbeschriebenes Blatt halten könnte. Als es zu einem vergleichbaren Todesfall bei einem wohlhabenden älteren Herrn kommt, führt die Spur die Ermittler Frank Elling und Lona Mendt an einen idyllisch gelegenen See in Mecklenburg. Eines der Todesopfer hat hier regelmäßig seinen Urlaub verbracht und erst kurz zuvor wieder einen Bungalow auf dem Campingplatz gemietet. Man könnte an einen Serienmörder oder einen Rachefeldzug denken,  wenn die Opfer nicht aus zu unterschiedlichen Verhältnissen stammen würden. Schließlich ergeben sich Verbindungen, deren Sinn die Ermittler lange nicht durchschauen. Einige Beteiligte kannten sich seit ihrer Anfangszeit als junge Stasi-Offiziere und um den Marnower See herum gibt es offenbar weitere Seilschaften. Fragt sich nur, wer dort was zu verbergen hat und wem die Taten nützen. In 16 Kapiteln werden die 16 Tage bis zur Aufklärung des komplizierten Falls beschrieben.

Frank Elling wirkt zunächst wie ein verantwortungsvoller Bürger und Polizeibeamter, dem am guten Verhältnis zu Kollegen und Nachbarn liegt. Elling lebt jedoch so offensichtlich über seine Verhältnisse, dass es genau den nahestehenden Menschen längst aufgefallen sein müsste. Ellings zwei Gesichter hätte ich allerdings spannender gefunden, wenn ich subtiler an ihm und manch anderem hätte zweifeln können. Lona Mendt hat sich aus Hannover nach Ostdeutschland versetzen lassen, was ihr anfangs einiges Misstrauen der neuen Kollegen einbringt. Wer ging schon freiwillig nach Rostock, fragen sie sich. Doch selbst die direkte Suche in der niedersächsischen Landeshauptstadt blieb ergebnislos, ob die Kollegin Mendt etwa von dort weggelobt wurde. So wundern sich die Rostocker Ermittler weiter, warum Lona im Wohnmobil lebt und nichts aus ihrem Privatleben preisgibt.

Die Figuren wirken liebevoll ausgearbeitet; Elling und Mendt entwickeln darüber hinaus im Dienst einen besonderen Draht zueinander. Elling wird im Laufe der Ermittlungen darauf hingewiesen, dass er ja aus dem Osten stammt und von ihm Wissen darüber vorausgesetzt wird, wie manche Dinge damals liefen. Lona gibt wiederum die passenden Stichworte, damit ein paar Infos zur DDR-Geschichte für die unwissenden Leser eingeflochten werden können. Holger Karsten Schmidt sät von Beginn an Zweifel an der Integrität seiner Ermittler und damit auch an den Zielen ihrer Ermittlung.  Als Leser kann man an die Verbindungen glauben, die sich anfangs zu ergeben scheinen, aber auch auf das ganz große Ding aus der DDR-Vergangenheit warten. Das Setting und ein Ermittler-Duo, das arbeitet, wo andere Leute gern Urlaub machen würden, finde ich als Serienbeginn sehr ansprechend. Der Spannung abträglich fand den für einen Krimi übertriebenen Showdown und Ellings  für einen routinierten Ermittler unglaubwürdiges Verhalten, das gegenüber der Sortierung der Handlungsfäden zu viel Raum einnahm. Beim Blick auf Logik und Ausdruck ging dem Lektorat zum Ende des Texts die Luft aus, hier könnte der an sich sehr gute Plot noch erheblich gewinnen.