Rezension

Ermittlungen in einem abgelegenen Höhlengebiet

Verhängnisvolles Calès - Cay Rademacher

Verhängnisvolles Calès
von Cay Rademacher

Bewertet mit 5 Sternen

Mitten im Winter wird in den Grotten von Calès (bei Lamanon) nach einem Felssturz ein Skelett gefunden. Aufgrund seines recht jungen Alters interessiert es jedoch stärker Gerichtsmediziner als die Archäologen, die in der Nähe eine Grabung durchführen; es stammt aus dem 20. Jahrhundert. Eine Verbindung zum Zweiten Weltkrieg oder zur Nachkriegszeit liegt nahe, auch dass ein Täter hier ortskundig gewesen sein muss. Ohne den Felssturz wäre die tote Person in dem längst für Wanderer gesperrten Tal vermutlich nie gefunden worden. Die von Menschen um einen Talkessel herum angelegten Höhlen waren schon immer leicht zu verteidigen und gaben in Kriegszeiten Bewohnern der Region Obdach. M. Compagnat, ein erfahrener Wanderführer, assistiert der Archäologin Agnes Havel bei ihren Grabungen; denn er kennt hier jeden Stein. Sollte Havel einen bedeutenden Fund freilegen, fürchtet der knorrige Alte schon jetzt eine Touristenschwemme. Doch außer Havel gibt es mindestens eine weitere Person, der die Grotten vertraut sind wie die eigene Hosentasche …

Roger Blanc plant bereits für Weihnachten, als sein gemauerter Kamin einstürzt und er in seiner historischen Ölmühle plötzlich im Kalten sitzt. Eigentlich hatte er sich endlich mit seiner Tochter Astrid versöhnen wollen. Als wäre das neben den üblichen Scharmützeln unter Kollegen und seiner Affäre mit der Untersuchungsrichterin nicht Stress genug, verschwindet von einer großen Hochzeitsfeier ein 9-jähriges Mädchen. Die Feier findet im Chateau de la Barben statt, auf einem Gelände, das die Gendarmerie schwer und vor allem nicht zügig bis in den letzten Winkel durchsuchen kann. Die Zeit rennt den Ermittlern davon.  In der klirrenden Kälte wird ein Entführungsopfer in einem der zahlreichen Gebäude  nicht lange überleben. Blanc und sein Team verfolgen die naheliegende Spur, wer die kleine Noelle so gut gekannt haben kann, das sie mit dieser Person das Gelände verlassen würde. Wer profitiert von der Entführung und wie würde ein Kind in dieser Situation denken? Die Familiengeschichte der Schlossbesitzer reicht bis in Zeiten zurück, in denen die Region Revolutionären und Widerspenstigen ein Refugium bot – in diese Geschichte muss Blanc tief einsteigen, um beide Fälle zu lösen. Er kann sich dabei auf Einheimische stützen, die sich an die Ereignisse damals erinnern und die wissen, wo man im Archiv suchen muss, um seinen Verdacht auch beweisen zu können.

Cay Rademachers 6. Band um den südfranzösischen Capitaine Roger Blanc ist mit rund 450 Seiten erheblich umfangreicher als die Vorgängerbände. Der Krimi fesselt durch einen für die Öffentlichkeit gesperrten Schauplatz, seine Verknüpfung mit der regionalen Geschichte und zahlreiche liebevoll ausgearbeitete Nebenfiguren. Blancs private und berufliche Verstrickungen sind zwar bewährte Krimi-Zutaten, Rademacher schafft jedoch wie in jedem Blanc-Band eine Atmosphäre zu schaffen, die Lust weckt, sofort nach Südfrankreich zu reisen.