Rezension

Ermüdende Soap Opera

Das Verschwinden der Stephanie Mailer - Joël Dicker

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
von Joël Dicker

Bewertet mit 2 Sternen

1994, eine Kleinstadt im Stadt New York: Während eines Festivals sterben vier Menschen, brutal ermordet. Die Polizei tappt im Dunkeln und nur durch Zufall kommt man einem Verdächtigen auf die Spur.
2014: Jesse Rosenberg, einer der damals ermittelnden Beamten, möchte in den Ruhestand gehen, als ihn eine Journalistin anspricht. Ihr Name ist Stephanie Mailer und sie ist der Meinung, dass Rosenberg und sein damaliger Partner Derek Scott den Fall nicht gelöst haben und der wahre Mörder noch immer frei herumläuft. Das kann Jesse nicht auf sich beruhen lassen, ist er doch der "Hundertprozentige", weil er jeden Fall gelöst hat. Als er Nachforschungen anstellt, gesellt sich auch bald sein Ex-Partner dazu und als Stephanie verschwindet, wissen sie, dass die Journalistin recht hatte. Also rollen sie alles noch einmal von vorne auf und merken, da gibt es jemanden, der das nicht richtig cool findet.

Der Mörder von 94 ist nicht der Einzige, der das nicht richtig cool fand. Mir geht's genauso. Die einzig intelligente Person, die jemals in dem Buch auftauchte, war die titelgebende Lady, den Rest kann man in der Pfeife rauchen. Die ach-so-mega-begabten-schlauen-alles-durchschauenden Polizisten brauchen zwanzig Jahre für einen Fall, bei dem der Ansatz dem normal Krimi konsumierenden Leser bereits vor Seite 20 klar ist - immerhin kommt Jesse irgendwo um Seite 550 darauf. Sie - also die Ermittler - sind dabei nicht mal unsympathisch: Sie sind einfach nur prasselblöd und lassen sich von jedem Hergelaufenen auf der Nase rumtanzen. Das Buch liest sich, als hätte jemand eine Vorabendserie geschrieben. Alle Männer haben eine große Liebe, für die sie alles tun würden. Alle Frauen haben ein schweres Schicksal. Dabei agieren die meisten, als hätte jemand die Schauspieler von GZSZ auf die Seiten gebannt. Der "Kriminalfall" besteht aus Versatzstücken, die zwischen Agatha Christie und Arthur Miller hin- und hergeschoben wurden. Gäbe es keine Überschriften, in denen die erzählende Person erwähnt wird, wüsste man bei den einzelnen Erzählstimmen keinen Unterschied herauszufinden, und warum man auch innerhalb einzelner Sätze oder Abschnitte Perspektivwechsel einführen muss bleibt wohl auf ewig ein Geheimnis des Autors. Ich möchte nicht behaupten, dass ich hier völligen Schund gelesen habe. Literarisch wertvolle Ansätze konnte ich leider auch nicht erkennen.

Kommentare

lex kommentierte am 04. April 2019 um 19:09

Gut, gut. Mein Interesse an diesem Buch ist gerade unvermittelt gestorben.

E-möbe kommentierte am 04. April 2019 um 21:05

Ich kann dir meine Enttäuschung nicht mal annähernd klarmachen. Wirklich, ich frage mich, warum wird der Typ so gehyped? Der kann null schreiben, es sei denn, man steht auf Vorabendserien in Buchformat.

lex kommentierte am 05. April 2019 um 10:03

Ich fand die Leseprobe schon ziemlich schwach. Als die ersten begeisterten Rezis jetzt auftauchten, hätte ich mich trotzdem glatt mitreißen lassen. Du hast mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Hab daraufhin mal in ein paar Bewertungen zu Dickers Debüt auf amazon reingelesen und mich sehr amüsiert. Eine Userin gratulierte ihm zu dem Mut soetwas zu veröffentlichen und meinte, er hätte sich beim Schreiben seiner Dialoge sicher kaputtgelacht. Das deckt sich mit deiner Rezi in etwa. :-D

E-möbe kommentierte am 05. April 2019 um 19:01

Ich bin schon fast geneigt, mir seinen Erstling aus der Bibliothek zu holen. Wenn das auch so ein Vorabendquatsch ist, zweifle ich wirklich langsam an den meisten Rezensenten. Die lassen sich echt alles erzählen. Behaupte einfach, das und das Buch ist ein megakomplexer, spannender und genialer Bestseller, und 99 Prozent glauben es. Massenhypnose.

Gelis kommentierte am 06. April 2019 um 07:33

Den Fall Harry Quebert fand ich sogar gut, von der Geschichte der Baltimores war ich aber bereits enttäuscht und durch Deine Rezi weiß ich, dass ich mir das neue Buch direkt sparen kann.

E-möbe kommentierte am 07. April 2019 um 18:16

Ich bin ja kein Maßstab. ;)

Fornika kommentierte am 07. April 2019 um 17:02

Ooooh, du mochtest es auch! Ich fühle mich verstanden ; )

E-möbe kommentierte am 07. April 2019 um 18:16

Hab gleich deine Rezension gestalked und musste so lachen. Wir sind so was von auf einer Wellenlänge. :D