Rezension

Erneut ein humoristischer Blick auf schräge Charaktere

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4.5 Sternen

Walters neues Refugium

„Es war nicht ihre Art, morgens auf dem Badezimmerboden herumzuliegen, aber sie sagte nichts weiter dazu und hielt die Augen geschlossen. Man musste ja auch nicht über alles reden.“

Inhalt

Barbara und Walter Schmidt sind ein eingespieltes Team, nach über 50 Ehejahren nicht verwunderlich, der eine kann nicht ohne den anderen, selbst wenn es eine ganze Litanei an Dingen gibt, die stören, und jeder ein abgestecktes Refugium besitzt, zu dem der andere vielleicht eingeladen ist aber bitte schön niemals mitzuwirken hat. Walter hat den Hund und Barbara die Küche, doch als Barbara eines morgens umfällt und nicht wieder auf die Beine kommt, sieht sich der miesepetrige Walter doch gezwungen, die Küche zu betreten. Nicht weil er ein hungriger Gourmet ist, sondern weil Barbara ja etwas essen muss, um wieder zu Kräften zu kommen. Verbissen und mit allerlei Hürden meistert er den abstrakten neuen Alltag, denn was er am meisten fürchtet sind die Blicke und Handlungen der anderen, wenn die erst mal herausfinden, wie es um seine Frau wirklich steht. Aber auch Walter muss einsehen, dass es ihm weiterhilft, wenn die Bäckereifachverkäuferin ihm erklärt, wie man Kaffee kocht und der Fernsehkoch, wie das Essen zubereitet wird. Zu gern würde er die Küchenarbeit in absehbarer Zeit wieder abgeben, doch er muss einsehen, dass seine Frau nun nicht mehr so schnell einsatzbereit sein wird, wenn sie doch nur wieder gesund werden wird, wenn sie doch nur wieder essen würde …

Meinung

Ich bin ein großer Fan der Autorin und habe ihre beiden Romane „Baba Dunjas letzte Liebe“ und „Der Zopf meiner Großmutter“ sehr genossen, weil sie es vermag ihre eigentlich abschreckenden Charaktere trotz ihrer Widerborstigkeit irgendwie sympathisch erscheinen zu lassen. Und diesem Stil bleibt die in Berlin lebende Autorin auch mit ihrem neuesten Buch treu, denn wenn man sich einen Typ Mann nicht zu Hause wünscht, dann ist es einer wie Walter Schmidt.

Umso begeisterter bin ich dann, wenn mich der Erzählstil schon auf den ersten Seiten so überzeugen kann, dass ich innerhalb weniger Stunden schon fast die Hälfte des Buches gelesen habe.

Der Text lebt von einer gewissen Situationskomik und vom Blick des Walter Schmidt auf die jeweilige Lage. Er ist einer, der sich nicht so leicht geschlagen gibt, der ganz klare Prioritäten pflegt und den seine Kinder irgendwie permanent nerven und nur wenig interessieren, der aber im Kern ein gutes Wesen hat, welches er nur ausgesprochen gut zu verbergen weiß.

Man kann diese kleine Erzählung auch gut für diverse charakterliche Verfehlungen bemühen und sie unter psychologischem Aspekt betrachten, man kann sie aber auch einfach auf die leichte Schulter nehmen und unverbesserlich wie Walter selbst daran glauben, dass sich alles irgendwie fügen wird und das Barbara ganz gewiss nicht sterben wird, wenn er nur weitermacht und ihren Part übernimmt.

In dem Buch kam einmal der Punkt, da habe ich mich gefragt, ob die Autorin noch die Kurve kriegt, denn so ironisch und humorvoll auch der Schlagabtausch zwischen den Protagonisten von statten geht, so traurig ist doch die Gesamtsituation, wenn man einsehen muss, dass der geliebte Ehepartner nicht mehr lange da sein wird und dass das nächste Weihnachtsfest gewiss schon das letzte gemeinsame ist.

Aber ihr gelingt es wirklich den Leser auch zuletzt noch zu überraschen, ohne dass sich ihre Figuren ändern, ohne das das große Fiasko eintritt und so bleibt das Ende zwar einerseits offen, andererseits ist aber alles gesagt, was es hier anzumerken gibt.

Fazit

Ich vergebe 4,5 Lesesterne, die ich gerne zu 5 Sternen aufrunde. Selten habe ich einen Roman gelesen, der mich trotz dieser traurigen Gesamtsituation so gut unterhalten konnte und geschickt an allen Sentimentalitäten vorbeiführt. Hier kommt weder Mitleid auf, noch übersteigertes Wunschdenken, weil natürlich zwischen den Zeilen alles steht, was eigentlich wichtig ist, dass vordergründig Wichtige aber vielmehr in der korrekten Zubereitung des Leibgerichts liegt .

Es hat mich überzeugt, dass die Autorin ihren eckigen, kratzbürstigen Hauptprotagonisten bis zum Schluss so bleiben lässt, wie er nun mal den Rest seines bisher langen Lebens war. Und dennoch begegnet dem Leser irgendwie ein veränderter Mensch, der sich auf Grund seiner Lage und des verschobenen Gleichgewichts, auf andere Pfeiler stützen muss. Ich bin jedenfalls froh, dass der Walter Schmidt hier zwischen den Buchdeckeln bleibt, kann aber auch nachvollziehen, warum Barbara 50 Jahre plus mit diesem sehr speziellen Herrn verbracht hat und nun ebenfalls auf ein zufriedenes Leben zurückblicken kann.