Rezension

Ernsthafter Spiegel der Zeit

Kaiserstuhl -

Kaiserstuhl
von Brigitte Glaser

Bewertet mit 5 Sternen

Nach der Bombardierung Freiburgs flüchtet Henny mit dem kleinen Kaspar auf den Hof der Bäuerin Kätter. Als der Krieg zu Ende ist, kommt auch der elsässische Soldat Paul dort hin und die beiden verlieben sich sofort. Doch Henny verschwindet kurz vor der Hochzeit und Paul ist wütend und enttäuscht. Erst im Jahr 1962 sehen Paul und Henny sich wieder. Henny hat den Weinhandel ihres Vaters wieder aufgebaut und ist sehr erfolgreich. Sie besitzt eine alte Champagnerflasche, die Paul unbedingt haben will. Er soll die Flasche dem französischen Sicherheitsdienst übergeben, denn sie hat eine geheimnisvolle Geschichte. Im Krieg wurde sie von der deutschen Wehrmacht in Frankreich gestohlen und soll jetzt bei einem Vertragsabschluss zwischen Adenauer und de Gaulle feierlich überreicht werden. Als Henny und Paul sich nun wiedersehen, werden alte Gefühle wieder aufgewühlt. Plötzlich ist die Wut wieder da, aber auch die Liebe ist noch immer da!

Der Roman "Kaiserstuhl" hat, wie man es von Brigitte Glaser schon gewohnt ist, wieder einen geschichtlichen Hintergrund. Man kann sagen, daß dieser Roman eine Geschichtsstunde vom Feinsten ist. Auch wenn der Roman etwas behäbig beginnt, entwickelt er sich sehr schnell zu einem Polit-Krimi erster Klasse. Die Charaktere machen es sich nicht leicht, ihre Kriegsvergangenheit aufzuarbeiten. Sie werden von Schuldgefühlen geplagt und sie wollen nichts schönreden. Ganz im Gegensatz zu manchen anderen. Man kann ihre innere Zerrissenheit deutlich spüren. Auf der einen Seite haben sie das Verlangen ihr Leben wieder zu genießen und auf der anderen Seite können sie die Vergangenheit nicht einfach vergessen. Da ich kein Jazz-Fan bin und auch nicht mit den Filmen der 1960er Jahre vertraut bin, mußte ich diese Stellen im Buch einfach hinnehmen. Dafür hat mich die Geschichte über die Politik dieser Jahre und die Wiederauferstehung alter Seilschaften doch sehr gepackt. Der Roman ist jetzt keine leichte Unterhaltung, sondern eher ein ernsthafter Spiegel der Zeit der jungen Bundesrepublik.