Rezension

Erschreckend, aber sehr sehr gut

Die Stadt der Blinden - José Saramago

Die Stadt der Blinden
von Jose Saramago

Bewertet mit 5 Sternen

In einer namenlosen Stadt können immer mehr namenlose Menschen nicht mehr sehen. Sie selber beschreiben den Zustand, als "in einem See aus Milch schwimmen". Die Geschichte beginnt erschreckend, aber das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was einen als Leser noch erwartet. Da immer mehr Menschen erblinden, sieht die Regierung nur den Ausweg, die Erkrankten in einer verlassenen Anstalt zu separieren. Und jetzt beginnt der wahre Horror, der aber (erschreckend genug!) immer realistisch bleibt. Alles im Roman bleibt namenlos, für mich die klare Botschaft, daß die Handlung überall spielen kann und jeden treffen kann.

Wer behält seine Menschlichkeit und wer wird zum Tier, für das vor allem das Überleben zählt? Wer stellt sich an den Anfang der Nahrungskette? Wer überwindet Anstand, Skrupel und behält seine Würde? Das Thema über die eigene Würde zieht sich als roter Faden durch den Roman.

Wie die Frau eines erblindeten Augenarztes, die als einzige noch sehen kann, sieht man als Leser den Schrecken und die Konsequenzen einer Epidemie, die immer weiter fortschreitet. An den Schreibstil musste ich mich gewöhnen: Viele Kommas, wenige Punkte, keine Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Aber der Roman hat mich von Anfang bis Ende nicht losgelassen. Erschreckende Geschichte, aber sehr sehr gut geschrieben!