Rezension

Erschreckend, faszinierend, spannend, wow

Der Märchenerzähler - Antonia Michaelis

Der Märchenerzähler
von Antonia Michaelis

Inhalt: 

Anna lebt in einer Seifenblase, benimmt sich anders als ihre Freunde. Sie schreibt gute Noten, ist verträumt und weiß noch nicht genau, was sie von der Welt eigentlich will. Ihr Leben nimmt eine drastische Wendung als sie Abel Tannatek kennenlernt, an der Schule auch als Drogendealer bekannt. Er kümmert sich um seine kleine Halbschwester Micha, denn die Mutter lässt sich schon seit längerem nicht mehr in der kleinen, düsteren Wohnung blicken. Anna taucht in dieses Leben ein und erkennt, dass die Welt so viel mehr Facetten hat als nur ihr behütetes zu Hause mit sorgenvollen Eltern und coolen Freunden. Abels Welt ist düster, schockierend und schwierig. Doch wenn er zum Märchenerzähler wird, bleiben all die verschiedenen Welten kurz stehen und alles ist in Ordnung. 

Meinung: 

Diese Geschichte hat mich von Anfang an in ihren Bann gezogen. Schon die ersten Seiten machten allzu deutlich, dass es sich hier um etwas ganz Besonderes handelt. Es lässt einen nicht mehr los, selbst nach Beendung der Lektüre. Michaelis’ Schreibstil gibt der Atmosphäre den letzten Schliff und katapultiert den Leser in eine melancholische, düstere und doch hoffnungsvolle Stimmung. Anna als Hauptcharakter verändert sich durch die Ereignisse immer mehr. Man hat dabei jedoch manchmal ein seltsames Gefühl. So als würde sie sich selbst aufgeben und nicht mehr ohne Abel sein können. So als wäre sie süchtig nach ihm. Ein ganz eigener Charakter, den ich in dieser Art noch nicht kennengelernt habe (in anderen Büchern). Abel macht neugierig. Er steht in der Schule immer alleine bei den Fahrrädern und redet nur das nötigste mit anderen Schülern. Dabei geht es meistens um den Drogenverkauf. Man wird nicht schlau aus ihm und unheimlich ist er auch. Die Beziehung zu seiner kleinen Schwester lockert die ganze Geschichte etwas auf und gibt ihr die nötige Portion  Lebensfreude. 

Das Märchen der kleinen Klippenkönigin hat mich unglaublich fasziniert, zum einen weil es unglaublich liebevoll ‚gestaltet’ und erzählt wird, zum anderen weil alle Protagonisten auch in der wirklichen Welt vorkommen, nur mit anderen Namen versehen. Oft fragt man sich, was Abel uns sagen will. Immer mal wieder erzählt er Micha und Anna ein Stück seiner erfundenen Geschichte und dieses steht meist in direktem Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen in der Wirklichkeit. Diese Struktur finde ich sehr clever. Als Leser versucht man den Zusammenhang mit der Realität zu finden, die Wahrheit irgendwo zwischen den Zeilen zu entdecken. Für mich ist das Märchen perfekt in die eigentliche Geschichte eingefädelt. 

Es gibt allerdings eine Szene, die mich sehr schockiert hat, da ich so etwas noch nie in einem Roman angetroffen habe. Außerdem hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass es nicht so ganz zum Rest der Geschichte passen wollte. Auch Annas Reaktion kann ich nicht nachvollziehen.

Im letzten Drittel gesellt sich die Spannung zur schon vorhandenen Melancholie. Die Ereignisse überschlagen sich, man weiß nicht wer gut, wer böse ist und Anna strauchelt. Jeder gerät in Verdacht und die Zweifel werden größer und größer. Man kann die Angst der Protagonisten förmlich riechen. 

Und wie es sich für Thriller (auch wenn ich dieses Buch nicht unbedingt als typischen Thriller bezeichnen würde) gehört, hat es das Ende in sich…

Fazit: 

Antonia Michaelis hat mich mit ihrer Geschichte über den Märchenerzähler komplett in ihren Bann gezogen. Ein Buch, das man so schnell nicht mehr vergisst.