Rezension

Erschreckend realistisch

Die Hassliste - Jennifer Brown

Die Hassliste
von Jennifer Brown

Klappentext:
Valerie ist sechzehn, als ihre Welt zusammenbricht.
In der Schul-Cafeteria eröffnet ihr Freund Nick das Feuer auf seine Mitschüler.
Er tötet sechs Menschen und verletzt zahllose andere.
Valerie selbst wirft sich vor eine Schülerin und wird dabei schwer getroffen.
Doch hinterher wird sie keinesfalls als Heldin betrachtet, sondern als Mittäterin.
Gemeinsam mit Nick hatte sie die Hassliste geführt, auf der die Namen aller Opfer standen. Für Valerie war es ein Spiel gewesen, ein Ritual, das sie mit Nick verband.
Ohne zu merken, dass es für ihn offenbar viel mehr war …
(Quelle: Verlag )

Zusammenfassung:
Valerie erlebt einen Amoklauf mit, ihr Freund Nick ist der Täter.
Sie beendet den Amoklauf, indem sie sich zwischen ein Opfer und Nick wirft.
Valerie wird getroffen und Nick nimmt sich das Leben.
Nun befindet sich Valerie in der Heilungsphase.
Ihr Bein ist verletzt und muß gesunden, ihre Familie zerüttet und muß irgendwie wieder zueinander finden, sie hat keine Freunde mehr, ihr geliebter Freund ist tot und Valerie muß wieder in die Schule zurück, in der die schreckliche Tat geschah.
Auch dort muß sie heilen, denn sie wird von den meisten Menschen nicht als Heldin angesehen, die den Amoklauf beendete, sondern als Täterin, durch die der Amoklauf erst möglich wurde.
Valerie muß sich auch mit ihrer eigenen Persönlichkeit auseinandersetzen.
Wo hat sie das Geschehen wirklich gefördert, ohne es zu merken, wann entglitt ihr Nick, ist sie wirklich so Ich- Bezogen, wie viele andere ihr immer wieder vorwerfen?
Auf Valerie wartet eine große Aufgabe und wird das 16 jährige, labile Mädchen diese Aufgabe bewältigen?

Fazit:
Ich stand diesem Buch am Anfang sehr skeptisch gegenüber.
Gerade das Thema Amoklauf ist ein sehr sensibles Thema, bei dem man schnell und viel falsch machen kann.
Wie weit würde dieses Buch auf Kinder und Jugendliche gar inspirierend wirken?
Welche Verantwortung trage ich, wenn ich das Buch dann in unsere Bibliothek gebe?
Die Skepsis war nicht nur bei mir groß, sondern auch im Kollegium, an keiner Schule ist das Thema Amoklauf sehr beliebt.
Zu Recht.
Nach dem Lesen des Buches stand für mich dann aber ganz schnell fest, das ich dieses Buch bedenkenlos in unseren Bestand aufnehmen kann.
Ich werde zwar eine Altersperre einsetzen, das heißt, das es an Kinder unter 14 Jahren nicht ausgeliehen wird, aber die höheren Alterstufen können es bedenkenlos lesen.
In dem Buch wird die Tat keinesfalls verherrlicht, vielmehr immer mal wieder nur kurz erwähnt.
Der Leser weiß genau worum es geht, ohne das intensive Bilder heraufbeschworen werden, oder gar in nekrophil-faszinierender Weise ausgeschmückt werden.
Auf Nick, den Täter, wird nicht in heldischer Weise dargestellt, seine "Täterpersönlichkeit" wird auch nicht ausgemalt, vielmehr lernt man Nick als Menschen kennen, ein Teil seines Weges wird aufgezeigt und immer mal wieder Symptome herausgearbeitet, an denen Valerie vielleicht hätte merken können, das mit Nick etwas passiert.
Aber in diesem Buch geht es auch eigentlich nicht um Nick, sondern um Valerie und der Leser sieht durch ihre Augen das Geschehen und dessen Folgen.
Man folg Valerie beim Heilungsprozess und versteht immer mehr, warum sie viele Dinge nicht sehen konnte oder wollte.
Für mich war das große Thema des Buches "Unaufmerksamkeit"
Die Tat, alles was zur Tat geführt hat und auch vieles was nach der Tat problematisch war, resultierte aus Unaufmerksamkeit.
Die Schüler untereinander, die in ihrem Egosumpf unaufmerksam für die Gefühle anderer waren.
Valerie in ihrer großen Ich-Bezogenheit und die Eltern, weil sie den Fokus auf "funktionieren" gerichtet hatten.
Aber das ist ja auch das Resümee, das man aus realen Amokläufen gezogen hat.
Niemand hat gesehen was passiert und die Symptome erkannt.
Deshalb finde ich es wichtig und richtig, das die Konzentration des Themas auf der Aufmerksamkeit füreinander liegt.
Wie eingangs schon erwähnt, hatte ich am Anfang bedenken, vielleicht ein Werk in den Händen zu halten, ähnlich wie "Christiane F." von dem ja erwiesen ist, das es Jugendliche nicht vom Drogenkonsum abschreckt, sondern ihn vielmehr fördert.
So etwas wäre bei einem Amoklauf fatal.
Aber diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt und mittlerweile habe ich auch im Gespräch mit anderen Bibliothekaren erfahren, das auch bei ihnen die Bedenken, nach dem Lesen des Buches ausgeräumt waren.
Ich kann mir diese Buch auch sehr gut als zukünftige Unterrichtslektüre vorstellen, denn im laufe der Zeit wird es unabdingbar sein, dieses Thema auch im Unterricht zu bearbeiten.
Allerdings sollten die Jugendlichen eine gewisse Lesekompetenz mitbringen.
Das Buch ist durch Rückblicke und Zeitsprünge für unkonzentrierte Leser vielleicht etwas verwirrend.
Durch eingeflochtene "Zeitungsartikel" und wechselnde Schauplätze sollte das Buch aufmerksam gelesen werden, um die Zusammenhänge nicht zu verlieren und Kinder die wenig Leseübung haben, könnten dann schnell an ihre Grenzen stoßen

*Diese Rezension ist so auch auf meinem Buchblog zu lesen*