Rezension

erschreckend, traurig, wie ein Blick in die Zukunft

Der Gang vor die Hunde - Erich Kästner

Der Gang vor die Hunde
von Erich Kästner

Bewertet mit 5 Sternen

Im Grunde ist alles geschrieben, analysiert und veröffentlicht, eine Rezension von daher überflüssig. Nur meine eigene Meinung äußern über ein Buch will ich, das vom Autor selbst als Satire bezeichnet wird. Es handelt sich um „Der Gang vor die Hunde“ von Erich Kästner,
Dass ein Buch vom Verlag eher unter einem anderen Namen als der vom Autor gewünschte veröffentlicht wird, ist, denke ich mal, gar nicht selten. Meist wird nach einem etwas griffigerem Titel gesucht, unter dem das Buch besser verkauft werden kann. Vielleicht war auch zur damaligen Zeit der von Kästner vorgeschlagene „Der Gang vor die Hunde“ doch zu arg negativ. Auch ein Eingriff des Lektors/der Lektorin ist normal, doch hier wurde ein Buch auf den Markt gebracht, dass mit der eigentlichen Lektüre nichts mehr zu tun hatte. Zu sehr wurden die Beschreibungen sexueller Praktiken und andere Stellen entfernt, anderes umgeschrieben und so fort. Es ist also ein Glück, dass wir nun vom Autor und Hanuscheck, dem Kästner-Experten, ein rekonstruiertes Buch in der Hand halten können.
Als Satire habe ich das Buch nicht empfunden, mein Grundgefühl war eigentlich eher eine tiefe Traurigkeit und Ergriffenheit. Die Suche nach dem Sinn des Lebens, den Jakob Fabian zwar nicht aufgibt, dessen Möglichkeiten dieser Figur aber immer wieder durch die Finger zerrinnen sieht. Das gilt auch für die vielen anderen Personen im Buch, sei es die Zimmerwirtin, die vielen anderen Frauen, die sein Leben kreuzen oder aber auch Arbeitskollegen oder gar sein bester Freund aus Kindertagen. Der Rückzug zur Familie, der Vater zwar zu Hause anwesend aber abweisend, die Mutter fürsorglich aber hilflos dem Sohn gegenüber. Ein Besuch an der alten Schule macht Fabian klar, dass sich im Prinzip nichts geändert hat, alltäglich das straffe Regiment, das Kindern keine Luft zum Atmen bietet, um sich selbst zu finden. Wie soll er da seinen Platz im Leben finden?
Doch bevor er nach Hause fast schon flieht, verliert er seinen besten Freund aufgrund eines bösen Scherzes, den sich ein Neider erlaubt. Die beste Arbeit seines Lebens, die sich, wie im Nachhinein festgestellt wird, fundamental ist für die Wissenschaft, wird dem Freund diskreditiert. Etliche Jahre hat der Freund dafür geopfert, darüber auch seine zukünftige Frau verloren. Daraufhin wählt er den Freitod. Dessen Eltern, schon seit Jahren getrennt Lebend, und Fabian vereint die Wut.
Fabian kennt keine Grenzen, was die Suche nach seiner Sexualität betrifft und lernt so manche Praktiken. Im Grunde vereinsamt er immer mehr, da er fast nur käufliche Liebe vorfindet. Abhängigkeiten all überall. Gibst du mir Deine Gunst und Körperlichkeiten, so gebe ich Dir Geld, Unterkunft, Karriere, eine Ehe ohne Liebe.
Die Direktheit dieser Sprache war zur damaligen Zeit praktisch unerhört, verboten, respektlos, was auch immer. Ein Wunder, dass Kästner diese Zeit überdauert hat. Man merkt den Protagonisten im Buch diese Zwischenzeit an, diese Orientierungslosigkeit zwischen politischem Leben und zukunftsfähigem Arbeiten. Eine Zeit, die den nächsten Krieg heraufbeschworen hat. Und leider, erinnert mich so manches im Buch beschriebene an unsere jetzige Zeit.

Erich Kästner, geb. am 23.2.1899 in Dresden, studierte nach dem Ersten Weltkrieg Germanistik, Geschichte und Philosophie. Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten war Kästner Theaterkritiker und freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen. Von 1945 bis zu seinem Tode am 29. Juli 1974 lebte Kästner in München und war dort unter anderem Feuilletonchef der 'Neuen Zeitung'. 1957 erhielt er den Georg-Büchner-Preis.

Mehr zu diesem Buch zum Beispiel unter: https://www.inhaltsangabe.de/kaestner/fabian/