Rezension

erschreckend und beeindruckend....lesenswert!

Das Guantanamo-Tagebuch - Mohamedou Ould Slahi

Das Guantanamo-Tagebuch
von Mohamedou Ould Slahi

Bewertet mit 5 Sternen

Mohamedou Ould Slahi ist 44 Jahre alt und befindet sich seit Februar 2000 im Visier der USA. Diese vermuten, dass er maßgeblich am "Millenium Plot" beteiligt gewesen sein soll, bei dem im Rahmen des Jahreswechsels 1999/2000 diverse Anschläge u.a. auf den Flughafen von Los Angeles geplant waren. Des Weiteren soll er für al Quaida die Flugzeugentfüher angeworben haben.

Mohamedou wird erstmals Anfang 2000 im Auftrag der USA in seiner Heimat Mauretanien festgenommen und wieder freigelassen, nachdem sich keine stichhaltigen Anhaltspunkte für seine Beteiligung an Anschlägen finden konnten. Nach den Anschlägen 2001 wird er erneut im Auftrag der USA in seiner Heimat festgenommen und wieder freigelassen. Im November 2001 bittet der mauretanische Geheimdienst ihn erneut um ein Gespräch. Mohamedou fährt mit seinem eigenen Auto zur Polizei und wird dort festgenommen. Obwohl die Mauretanier weiterhin nicht von seiner Schuld überzeugt sind, liefern sie ihren Staatsbürger an die CIA aus, die ihn in einem Flugzeug nach Jordanien verfrachtet, wo er über sieben Monate vom dortigen Geheimdienst im Auftrag der USA verhört wird. Seine Angehörigen denken, dass er weiterhin in Mauretanien im Gefängnis sitzt und geben dort u.a. Kleidung für ihn ab. Im Juli 2002 wird er auf die Luftwaffenbasis Bagram in Afghanistan verlegt und im August 2002 nach Guantanomo verbracht, wo er sich heute und damit seit nahezu 13 Jahren (!!!) immer noch befindet, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wurde.

Zum Buch:

Mohamedou hat über seine Erlebnisse im Zeitraum von Januar 2000 bis 2005 ein Tagebuch verfasst, u.a. um seinen Anwälten seine Erlebnisse zu schildern.

Dieses Tagebuch ist eine beeindruckende Schilderung, wie die USA nach den Anschlägen von 2001 jegliche Rechtsstaatlichkeit, die auch für Kriegsgefangene gilt, verloren haben. Die Angehörigen von Mohamedou haben erst nach Jahren erfahren, wo sich Mohamedou befindet. Der Zugang zum internationalen roten Kreuz wurde ihm rechtswidrig über Jahre verwehrt und er wurde über Monate, wenn nicht gar Jahre, gefoltert (Schlafentzug, Lärm, sexuelle Belästigung, Schläge, sadistische Verhaltensweisen). Insbesondere bei der ausführlichen Schilderung der Folter wird einem beim Lesen schlecht und man fragt sich, warum dies in der heutigen Zeit einfach so geduldet wird. Interessant ist dabei z.B. die Information, dass die Folter nach dem Wechsel hin zu Obama zunächst noch zunahm, weil alle wussten, dass dies so nicht mehr geduldet wird und jeder noch mal seine Chance zum Schlagen oder Qälen nutzen wollte.....erschreckend wozu Menschen fähig sind.....

Das Tagebuch wurde vor der Freigabe durch die Regierung der USA zensiert. Der Herausgeber hat die Schwärzungen bewusst stehen gelassen und mit Fußnoten erläutert. Es ist zum Teil wirklich amüsant, welche Wörter geschwärzt wurden (z.B. die Existenz weiblicher Vernehmungsbeamten oder das Wort "Tränen").

Beeindruckend an diesem Buch finde ich, wieviel Humor und Menschlichkeit der Autor besitzt. Obwohl er seit Jahrzehnten ohne Strafverfahren festgehalten wird und schlimmster Folter ausgesetzt war, ist er in der Lage, zwischen den einzelnen Wärtern und den Vernehmungsbeamten zu differenzieren und insbesondere deren menschliche Momente und netten Seiten herauszustellen. Auch hat man das Gefühl, dass er keinen Hass auf die USA hat. Dies finde ich sehr erstaunlich. Beeindruckend ist auch die Nachbemerkung, aus der hervorgeht, dass Mohamedou äußerte, dass er keinen Groll gegen die handelnden Personen hege. Er träume davon, eines Tage mit allen bei einer Tasse Tee zusammenzusitzen, nachdem man so viel voneinander gelernt habe.

Natürlich führt das Lesen des Buches dazu, dass man dazu tendiert zu denken, dass hier ein Mensch unschuldig in Haft sitzt.Ob dies wirklich stimmt, oder ob Mohamedou zumindest al Quaida unterstützt hat, weiß letztlich nur er selbst. Aber das Buch zeigt ganz deutlich, dass man der Wahrheit nicht durch unrechtmäßigen Freiheitsentzug und Folter näher kommt. Letztlich bleibt man als Leser mit der Frage zurück, wie es sein kann, dass hier immer noch Menschen im Auftrag der USA in Haft sind, ohne dass sie angeklagt werden. Mohamedou selber stellte im Jahre 2005 einen Antrag auf Haftprüfung, der dazu führte dass im Jahre 2010 seine Freilassung angeordnet wurde. Die Obama-Regierung legte hiergegen Beruf ein. Über die Berufung ist bis heute, d.h. seit 5 Jahren (!!!) nicht verhandelt worden...