Rezension

erschütternd

Die Nickel Boys
von Colson Whitehead

Bewertet mit 5 Sternen

Elwood bewundert Martin Luther King und freut sich auf seinen 1. Tag am College. Doch auf dem weg dahin gerät er durch Zufall in ein gestohlenes Auto und wird nach seiner Verurteilung in die Besserungsanstalt "Nickel Academy". Dass er nur durch Zufall in dem Auto saß und nichts mit der Sache zu tun hatte, hat niemanden interessiert. Im weiteren Verlauf schildert Whitehead Elwoods Zeit in der Nickel Academy, wo es sehr brutal zugeht - zumindest im Teil der Schwarzen. Wer nicht spurt, wird bestraft. Dabei ist die Härte der Strafe sehr willkürlich, wie Elwood schon sehr bald am eigenen Leib feststellen muss. Dennoch verliert er nie seinen Mut und versucht im Stillen weiterhin gegen die ungerechte Behandlung anzugehen.

Trotz der Kürze und obwohl es die Nickel Academy nicht wirklich gab, haben mich die geschilderten Szenen sehr entsetzt. Die Geschichte - die an einer realen Besserungsanstalt orientiert ist - ist geprägt von unbegründetem Hass und Gewalt gegen die Schwarzen. Die Sprache ist eher distanziert und nach dem Klappentext hätte ich mehr direkte Taten erwartet. Dennoch - oder gerade deswegen - hat es mich schockiert wie die Jungen behandelt wurden. Whitehead schafft es meiner Ansicht nach das Schicksal der Jungendlichen sehr eindrücklich zu schildern und gerade die Szenen am Anfang und zu lesen, dass sie selbst im Erwachsenenalter noch schwer anihrer Vergangenheit zu knabbern haben. Durch die Distanziertheit und fehlende Emotionalität rücken die Handlungen und nicht die Personen selbst in den Vordergrund. Nicht die Einzelschicksale, sondern die gesamte Situation muss betrachtet werden. Der Hass und die Willkürlichkeit haben mich tief erschüttert. V.a. der Schluss hat mich sehr traurig gemacht. Dennoch hat mich auch Elwood sehr beeindruckt, er hat stets an seiner Hoffnung festgehalten, egal, wie er behandelt wurde.

Die Geschichte ist nicht chronologisch aufgebaut, immer wieder springt die Handlung zwischen Vergangenheit und Gegenwart und manches hat sich für mich erst am Schluss aufgelöst. Dennoch konnte ich den einzelnen Handlungssträngen i.d.R. sehr gut folgen. Auch der Schreibstil war sehr flüssig und im Gegensatz zu anderen fand ich auch nicht, dass sich die Handlung in die Länge zieht. Eher im Gegenteil. Das Buch hat nur knapp 200 Seiten, dennoch glaube ich nicht, dass mehr Seiten das Buch besser (oder schlechter) gemacht hätten. Trotz der Kürze schildert Whitehead den Rassismus in Amerika sehr gut, ganz ohne spannende Handlungen oder große Dialoge. Es sind die stillen Momente und das tägliche Leben in der Besserungsanstalt die eine Zeit voller Hass wieder aufleben lassen.

Definitiv eine Leseempfehlung!