Rezension

erschütternd ehrlich, ergreifend und menschlich

Miracle Creek - Angie Kim

Miracle Creek
von Angie Kim

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Jahr ist das Schrecken und die Tragödie her, als die Miracle Submarine, (eine unter Druck stehende Sauerstoffkammer wo Patienten "tauchen", in der Hoffnung Autismus und Behinderungen zu lindern,) Feuer fachte und dabei einen jungen Patienten und die Mutter einer weiteren Patientin das Leben nahm. Auch die Tochter des Paares, das die experimentelle Behandlung durchführt ist verletzt und der Vater paralysiert. Die Mutter des toten Jungen wird des Mordes angeklagt. 

Das Buch ist eingeteilt in vier Tage eines Gerichtsprozesses und während dieser Tage wechseln die Perspektiven zwischen den involvierten Personen. Im Verlauf des Prozesses werden Geheimnisse, Lügen und Rivalitäten aufgedeckt, während kleinere zunächst belanglose Handlungen plötzlich eine Bedeutung bekommen. 

Immer wenn ich das Gefühl hatte, dem Brandstifter näher zu kommen, präsentierte mir die Autorin mehr Geheimnisse und Motive anderer Figuren, die für den Vorfall verantwortlich sein könnten. Es besteht ein stetiger Spannungsschlag und diese Emotionalität mit der der Leser von den Charakteren konfrontiert wird ist erschütternd real und lässt mitfühlen. Diese Geschichte ist mehr als nur ein Mordprozess. 

Kim hat es geschafft, dass ich mit mir anfänglich suspekten Charakteren sympathisiere. Ihre Figuren sind unglaublich fein geformt, voller verschiedener Ebenen und Gefühlen. Die dargestellte Sorge, Wut, Verzweiflung und Angst mit der jeder der Figuren ihre Situation bewältigt ist authentisch und so menschlich. Die Bereitschaft und die Stärke die die Eltern ihren Kindern geben, um ihnen Gesundheit und Glück zu ermöglichen, ist beeindruckend. Sie vergraben dabei ihre eigenen Bedürfnisse, gehen unglaubliche Weiten, über aufwändige Anstrengungen und Herausforderung, und müssen mit Urteilungen von eigenem Kreis und von Fremden umgehen. Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen werden jeden Tag mit Schwierigkeiten konfrontiert. Das Leben und die Umstände drumherum sind oft chaotischer als es zu sein scheint und das hat die Autorin hier herausragend erarbeitet. 

Miracle Creek ist nicht nur tiefgreifend wenn es um die Liebe und die Länge geht, die Eltern bereit sind einzugehen, um das eigene Kind zu schützen. Als Eltern ist es genauso wichtig moralische Beispiele zu setzen, um dem Kind Rechenschaftspflichten zu vermitteln. Das wurde auch hier geschafft und man beobachtet wahre, ehrliche Stärke und das Wachsen von Charakteren. Es geht hier auch um die eigene Identität, wie es ist ein Immigrant zu sein und die Fetischisierung von asiatischen Frauen, Kommunikation zwischen Ehepartnern und die Verteilung von Geschlechterrollen. Diese Themen wurden intelligent hineingewoben und machen nachdenklich. 

Es hatte was von Celeste Ng's "Kleine Feuer überall" was das Mysteriöse und familiäre Beziehungen anging, doch ist es auf seine ganz eigene Art einzigartig, was die Hintergrundkulisse und die Handlung angeht. Die Prämisse ist ungewöhnlich und ich bin überrascht, dass dies ein Debütroman ist. Die Sprache an der sich die Autorin bedient ist exquisit und sie schafft eine Balance zwischen dem Drama im Gericht und den persönlichen Problemen ihrer Figuren. Die Beschreibungen, die Charakterentwicklung und die Spannung waren wie die eines erfahrenen Schriftstellers. 

Das Buch ist weitaus komplexer, komplizierter und überzeugender, als es zunächst scheint. Ein spannender Mix aus Gerichtsdrama und Mytserythriller, zugleich aber auch eine Geschichte über die Gesellschaft und Identitäten, Anpassungsproblemen von Immigranten in einem neuen Land, Familiendynamiken, Elternschaft, und es öffnet einen Dialog über die Vor- und Beurteilungen von Menschen, die nicht den Normen der Gesellschaft entsprechen. Ein erschütternd ehrliches und menschliches Debüt!