Rezension

Erschütternde Biografie

Ich bin eure Stimme - Nadia Murad

Ich bin eure Stimme
von Nadia Murad

Der IS hat unzählige Jesid*innen umbringen lassen und die Frauen verschleppt und versklavt. Dafür, das Schweigen aufzulösen und für die Rechte der Jesid*innen und der Anerkennung der an ihnen begangenen Verbrechen durch den IS zu kämpfen, dafür setzt sich Nadia Murad ein, die heute in Deutschland wohnt.

Diese Autobiografie ist ihre Geschichte. Die Geschichte, wie sie in einem kleinen Dorf im Norden des Iraks in einer jesidischen Gemeinschaft aufwuchs, wie der Großteil ihrer Familie ermordet wurde, wie sie vom IS versklavt wurde und schließlich floh.
Sie beginnt damit, ihren Heimatort zu schildern, und die Situation der Jesid*innen, die seit Jahrhunderten wegen ihres Glaubens verfolgt und als Spielball der Politik instrumentalisiert werden. Nadia Murad schildert, wie sie in einer Atmosphäre der stets präsenten Angst, aber auch inmitten einer Gemeinschaft in einem eher einfachen, ländlichen Leben aufwuchs, das sie geliebt hat. Sie gibt einen Einblick in die jesidische Kultur, in ihr Alltagsleben, und diskutiert auch die Fragen der Identität als Jesid*innen, die auf vernichtende Weise stets zentral waren. Somit lernt der*die Leser*in neben der Kultur der Jesid*innen auch die politische Geschichte des Iraks kennen.

Nadia Murad schildert die vergebliche Hoffnung und die steigende Verzweiflung während der Belagerung ihres Heimatortes, ebenso wie die nachfolgenden Ereignisse, die so unmenschlich und grausam waren, dass es mir schwerfiel, das zu begreifen. Sie gibt den abstrakten Verbrechen und dem abstrakten Phänomen des IS ein Gesicht und ließ sie real werden. Ich war betroffen, schockiert, fassungslos, entsetzt ... gibt es Worte, die ein solches Leseerlebnis beschreiben können? Sie schildert die Vergewaltigungen, die sie durchlitten hat, die Gewalt, die Ermordungen ihrer Familie, und gibt all dem so ihre Stimme.
Gleichzeitig ist es aber auch die Geschichte einer starken, jungen Frau, die niemals aufgegeben hat, die gekämpft hat, die unheimlichen Mut bewiesen hat und die letztendlich geflohen ist.
Und somit ist dies ein Buch, das erschüttert, aber das auch ein Zeugnis des Genozids an eine Gruppe ist, deren Geschichte von Unterdrückung und Gewalt geprägt ist. Ein Zeugnis der Schrecken des IS, die hier auf einmal real werden und damit nicht weniger grausam oder brutal.

Fazit: Erschütternde Biografie einer starken Jesidin, die den Genozid an ihrer Glaubensgemeinschaft schildert und die Verbrechen des IS real werden lässt.