Rezension

Erschütternde Realität

Raum - Emma Donoghue

Raum
von Emma Donoghue

Bewertet mit 4 Sternen

Im Rahmen der Leserunde meines Leseclubs habe ich im Januar das Buch "Raum" von Emma Donoghue gelesen. Ein Werk mit viel Diskussionspotential!

 

Wissenswertes

Emma Donoghue ist eine kanadische Schriftstellerin mit irischen Wurzeln. Sie war das jüngste von acht Kindern und wuchs in Dublin als Tochter eines Literaturkritikers auf. Heute lebt sie mit ihrer Lebensgefährtin und ihren Kindern in London, Ontario.

An dem österreichischen Kriminalfall um Josef Fritzel angelehnt, wurde "Raum" im Jahr 2010 veröffentlich und schoss direkt in die Bestsellerlisten. Noch im selben Jahr erhielt Donoghue den Irish Book Award in der Kategorie Bester Roman und den Rogers Writers' Trust Fiction Prize als bester kanadischer Roman des Jahres. 

Im letzten Jahr wurde das Buch verfilmt, wobei Donoghue selbst das Drehbuch schrieb. Die Geschichte um Jack und seine Ma wurde mit dem Publikumspreis auf dem 40. Toronto International Film Festival ausgezeichnet.

 

Zum Buch

Der Klappentext

Auch seinen fünften Geburtstag feiert Jack in Raum. Raum hat eine immer verschlossene Tür, ein  Oberlicht und ist zwölf Quadratmeter groß. Dort lebt der Kleine mit seiner Mutter. Dort wurde er auch  geboren. Jack liebt es fernzusehen, denn da sieht er seine »Freunde«, die Cartoonfiguren. Aber er weiß, dass die Dinge hinter der Mattscheibe nicht echt sind – echt sind nur Ma, er und die Dinge in Raum. Bis der Tag kommt, an dem Ma ihm erklärt, dass es doch eine Welt da draußen gibt und dass sie versuchen müssen, aus Raum zu fliehen…

 

Zum Inhalt

Die ganze Geschichte wird aus der Sicht von Jack erzählt. Er ist fünf Jahre alt und lebt mit seiner Mutter seit dem Tag seiner Geburt in einem Raum, den die beiden nie verlassen dürfen. Für Jack völlig normal!

In seiner Welt existieren nicht viel. Nur das, womit er aufgewachsen ist. Außerdem sind nur er, seine Ma und Old Nick echt. Echt kann Jack anfassen. Echt existiert in Jacks Welt und diese besteht nur aus Raum und den Dingen darin. Diese Gegenstände, wie Tisch, Weichlöffel und Teppich, sind seine Freunde. In Raum gibt es noch Fernseher. Jacks Mutter macht ihm weis, dass die Dinge in Fernseher nicht echt sind. Dass das Leben in Raum die einzige Wirklichkeit ist, die er zu kennen braucht. Jack erklärt sich die Geschehnisse, die er im TV sieht auf seine eigene kindliche Weise. So stellt für ihn jeder Sender einen eigenen Planeten dar und draußen, also außerhalb von Raum, ist das Weltall. Seine Mutter hat es bisher vermieden ihn über die Wahrheit aufzuklären, denn was ein Kind nicht weiß, kann es auch nicht vermissen. Und aus diesem Grund scheint Jack wirklich glücklich.

In den ersten Kapiteln wird schnell klar, dass Jacks Mutter in jungen Jahren Opfer eine Entführung wurde und seither von ihrem Kidnapper in einem Schuppen auf seinem Grundstück festgehalten wird. Der Leser erfährt von einigen Fluchtversuchen, die bisher immer scheiterten. Ihr Entführer wird im Buch Old Nick genannt. Wir erfahren weiterhin, dass dieser seine Gefangene regelmäßig besucht um sie zu vergewaltigen. Bei einer dieser Vergewaltigungen entstand Jack.

Im Laufe der Geschichte kommt es zu einer Situation in der Jacks Mutter sich dazu entscheidet ihm die Wahrheit über ihr Schicksal und die Welt außerhalb von Raum zu erzählen. Zunächst kann er es überhaupt nicht fassen, beginnt aber schon bald all die Dinge im Draußen kennenlernen zu wollen und schmiedet mit seiner Mutter einen Plan, der Konsequenzen haben soll...

Meine Meinung

Ich muss gestehen, dass ich mich erst an den Stil gewöhnen musste. Die Autorin hat versucht die Sprache und Gedanken eines fünfjährigen wiederzugeben und meiner Meinung nach ist ihr das sehr gut gelungen. Man erfährt von allerlei Dingen & Spielen, die sich Jacks Mutter hat einfallen lassen, um den kleinen Mann beschäftigt zu halten. Es ist verblüffend, auf welche Ideen Menschen kommen können... Großer Respekt an die Autorin für diese Recherchearbeit, sowohl in Hinsicht auf die Sprache des Kindes, als auch auf die Beschäftigungsmaßnahmen und Erklärungsversuche einer verzweifelten Mutter, deren einziger Überlebensgrund ihr Sohn zu sein scheint. 

Auf über einhundert Seiten wird man in den Alltag der beiden Gefangenen eingeführt, was für meinen Geschmack etwas zu langatmig war. Ich habe mich sehr schwer damit getan weiterzulesen. Spannend wurde es allerdings in dem Moment, als sie ihren Sohn über die Außenwelt aufzuklären begann. Ab dieser Szene überschlugen sich, im Vergleich zum ersten Teil, die Ereignisse förmlich. 

Es ist bemerkenswert, wie mit einer derart kindlichen Sprache die Geschehnisse, die Jack teilweise überhaupt nicht versteht, den Leser vereinnahmen und mit einem zum Teil schlechten Gefühl zurücklassen.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten war ich vom zweiten Teil des Buches geradezu gefesselt. Ich konnte es kaum mehr aus der Hand legen und muss gestehen, auch im Nachhinein noch darüber nachdenken zu müssen. Macht das nicht ein gutes Buch aus?

 

Schlussendlich erhält das Buch solide 4 von 5 Sternen von mir. ★★★★☆

Fazit

Raum hat meiner Meinung nach das Potential zum Klassiker der Moderne: Anstrengend und fesselnd, fragwürdig und ausdrucksstark! Ein Buch, welches einen Denkanstoß verleiht und so manche Umstände und Gewohnheiten der heutigen Gesellschaft durch die Blume in Frage stellt. 

 

"Ein Klassiker ist ein Buch, das nie aufhört zu sagen, was es sagen möchte."

- Italo Calvino

 

Bea :)