Rezension

Erschütterndes Zeugnis des Hexenwahns

Der Hexenschöffe - Petra Schier

Der Hexenschöffe
von Petra Schier

Bewertet mit 4 Sternen

Hermann Löher, Kaufmann und Schöffe am Rheinbacher Gericht muss sich auch an Hexenprozessen beteiligen. Als 1636 ein neuer Hexenkommissar in Rheinbach eintrifft, der mit recht perfiden Methoden immer neue Verdächtige ermittelt und die Angeklagten zu Geständnissen bringt, bringt es Löher immer weniger über sich, bei diesen Prozessen dabei zu sein. Aus Angst um seine Familie schweigt er zunächst, denn als Gegner der Prozesse wären er und die Seinen schnell in Gefahr, selbst verdächtigt zu werden, doch mit jedem Tag fällt ihm das schwerer …

 

Hermann Löher ist eine historische Persönlichkeit. Jahre nach den im Roman geschilderten Ereignissen veröffentlichte er ein Buch, die sogenannte „Wehmütige Klage“, in dem er über seine Erlebnisse während der Hexenprozesse schrieb und die Praktiken der Hexenkommissare anprangerte. Petra Schiers Roman basiert auf diesem Buch, Charaktere und auch Szenen während der Prozesse wurden daraus entnommen. Wir haben es also mit tatsächlichen historischen Geschehnissen zu tun, allerdings verbunden mit fiktiven Szenen, z. B. solche, die mit Löhers Familie zu tun haben.

 

Neben den Hexenprozessen erleben wir das ganz normale Leben in Rheinbach. Dafür hat die Autorin z. B. einen zweiten Erzählstrang eingeführt, in dem es um das Mailehen geht, eine Art Eheanbahnungsbrauch, auf den Petra Schier in einem Nachwort näher eingeht. Der Roman lässt sich so angenehmer lesen, die Thematik wird etwas entschärft, nicht alles dreht sich nur um Folter und Todesangst.

 

Die Charaktere sind zum Teil etwas oberflächlich bzw. einseitig gezeichnet. Das liegt auch daran, dass es wenig Quellenmaterial darüber gibt bzw. die Hexenkommissare und die sogenannten Ja-Schöffen darin eher schlecht wegkommen (auch bei Löher). Ich hätte mir da aber etwas weniger Einseitigkeit gewünscht. Wirklich vielschichtig ist nur Margarete, die auch eine Entwicklung erkennen lässt.

 

Petra Schier hat einen tollen Erzählstil, der auch hier wieder zu Tage tritt. Am Anfang tat ich mir dieses Mal allerdings etwas schwer, ein Zeitsprung und viele Namen hinderten mich daran, schnell in den Roman einzutauchen, doch dann hat die Erzählung mich gepackt und irgendwann konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen.

 

Dass Löher überlebt, weiß man, denn sonst hätte er ja nicht seine Klage verfassen können, aber wie ist es mit seiner Familie, seinen Freunden und anderen Bewohnern Rheinbachs? Über allen schwebt das Damoklesschwert, keiner ist sicher, alle kann es treffen. Das gibt dem Roman sehr viel Spannung.

 

Gut hat mir gefallen, dass, wie ein Hexenprozess abläuft, an einem bestimmten Beispiel (zudem an einer Person, die man als freundlich und hilfsbereit empfindet) gezeigt wird, dadurch wirkt das Ganze noch authentischer, das Grauen wird greifbarer, man wird zum zum Nachdenken und Weiterrecherchieren angeregt. Wie in jedem guten historischen Roman gibt es einiges an Begleitmaterial, so beginnt jedes Kapitel mit einem Originalzitat aus Löhers Klage, es gibt eine Zeichnung Rheinbachs aus dieser Zeit, ein Portät Löhers und eine Zeichnung aus der Klage. Die Autorin hat zwei Nachworte verfasst, die beide sehr interessant sind. Ich hätte mir noch ein Personenregister und vielleicht ein Literaturverzeichnis gewünscht.

 

Ich empfehle den Roman allen, die gerne gut recherchierte historische Romane lesen.