Rezension

Erst morgen erkennen wir, wie wundervoll heute ist.

Für immer in meinem Herzen - Susan Wiggs

Für immer in meinem Herzen
von Susan Wiggs

Erst morgen erkennen wir, wie wundervoll heute ist.

„Das ist Middle Grove: Glaube, Arbeit und Familie, zusammengenäht vom Faden der gemeinsamen Hingabe.“

Für die von der Außenwelt abgeschieden lebenden Mitglieder der Amish-Gemeinde Middle Grove haben abgesehen von ihren Glaubensprinzipien ihre Arbeit und die Familie höchste Priorität. Die Ordnung wird hochgehalten, die bibeltreuen Gemeindemitglieder leben von Landwirtschaft, stehen den technischen Errungenschaften der „Englischen“ skeptisch bis ablehnend gegenüber und lehnen Gewalt strikt ab. Als sich der elfjährige Jonah Stoltz auf einer benachbarten Farm durch einen landwirtschaftlichen Schredder lebensbedrohliche Verletzungen zuzieht, handelt sein Onkel und Vormund Caleb instinktiv richtig. Er ignoriert die vehementen Weigerungen seines Vaters und des Bischofs und lässt das Kind in ein Trauma-Krankenhaus ausfliegen. Diese Entscheidung rettet dem kleinen Jonah das Leben. Caleb, der sowohl seinen Neffen, als auch dessen Schwester von ganzem Herzen liebt, weicht nicht vom Krankenbett des Jungen.

Rees Powell ist Medizinstudentin und steht kurz vor ihrem Abschluss. Die intelligente und mitfühlende junge Frau liebt ihre Arbeit in der Notfallmedizin, und als der kleine Jonah Stoltz als dramatischer Fall in die Notaufnahme eingeliefert wird, berühren der tapfere Junge und dessen Onkel ihr Herz. Sie bietet Caleb Stoltz ihre Unterstützung an. Der attraktive amische Farmer und die ehrgeizige Karrierefrau aus begütertem Elternhaus, deren Leben von ihrer Arbeit und dem Studium bestimmt ist, stammen aus vollkommen verschiedenen Welten. Und dennoch verändert das Zusammentreffen mit Caleb die Sichtweise der angehenden Ärztin auf viele Dinge. Ihre Begegnung ermöglicht den beiden einen Einblick in die Welt des anderen, doch trotz der großen gegenseitigen Anziehungskraft scheint es keine Möglichkeit für eine gemeinsame Zukunft zu geben.

Dieses Buch, dessen Klappentext eine romantische Liebesgeschichte verheißt, entpuppte sich als faszinierende und erstaunlich tiefgründige Erzählung über zwei Menschen mit äußerst konträrem Hintergrund. Die Protagonistin Reese Powell personifiziert das Produkt zweier hoch intelligenter, ehrgeiziger Eltern, die durch ihre Vorgaben, ihre großen Erwartungen und ihre manipulative Art immensen Druck auf ihr einziges Kind ausüben. Reese wurde als kleine Prinzessin geboren, ihr Weg war stets geebnet, doch die Ansprüche der Eltern sind schlichtweg überfordernd. Reese ist bewusst, dass sie den Traum ihrer Eltern leben soll, doch sie ist in keiner Weise sicher, dass dieser Weg auch der ihre ist. Caleb ist ein großer, muskulöser, sehr attraktiver und ruhiger Mann, den eine seltsame Traurigkeit umgibt. Seine Geschichte birgt einige Überraschungen und es gibt einen guten Grund dafür, dass er sich in der modernen Welt der „Englischen“ nicht ganz so unbeholfen fühlt, als es für ihn als Amischen eigentlich der Fall sein sollte. Abgesehen von Caleb und Reese würde ich persönlich auch den kleinen Jonah als Protagonisten bezeichnen – seine liebenswerte und kluge Art und sein Einsatz für seine Mitmenschen haben mich tief berührt. Obgleich seine Schwester Hannah in der ersten Hälfte des Buches eine eher untergeordnete Rolle spielt, wird ihr im späteren Verlauf größere Aufmerksamkeit zuteil. Abgesehen von weiteren sympathischen Nebenfiguren wie beispielsweise Reeses Freund und Kollegen Leroy Hershberger oder Calebs Bruder John Stoltz fungiert Calebs Vater Asa als Antagonist dieses Buches. Ich empfand zudem eine deutliche Abneigung gegen das Verhalten von Reeses Eltern Joanna und Hector, die ihre Tochter zwar mit materiellen Dingen überschütten, sie jedoch als Vorzeigeobjekt und Schachfigur ihrer eigenen Vorstellungen und Pläne missbrauchen. Susan Wiggs hat mit der Charakterzeichnung ihrer handelnden Figuren hervorragende Arbeit geleistet. Sowohl Reese, als auch Caleb, haben mich durch ihre Authentizität beeindruckt, ihrer Gefühls- und Gedankenwelt, aber auch ihrer innerlichen Entwicklung wird sehr überzeugend Ausdruck verliehen. Calebs Familiengeschichte und die Umstände, die dazu führten, dass der junge Mann zum Vormund von Nichte und Neffe wurde, werden behutsam und in kleinen Schritten aufgerollt. Der Leser taucht Stück für Stück in die Welt der Amischen und ihrer Lebensart ein und erfährt ein wenig über die Traditionen und die Ordnung der Glaubensgemeinschaft.

Dem Buch liegt hinsichtlich Jonahs Genesung und der Frage, ob es eine gemeinsame Zukunft für die beiden Protagonisten geben kann, ein kleiner Spannungsbogen zugrunde. Dennoch würde ich es eher als ruhigen, bedächtigen Roman bezeichnen, bei dem Familie, Freundschaft und Liebe die zentralen Themenbereiche darstellen.

Fazit: „Für immer in meinem Herzen“ war ein sehr berührender Roman, der mich als Leser tief in die Geschichte seiner Protagonisten einbezogen und mir ein eindrucksvolles Bild des Lebens in einer amischen Glaubensgemeinschaft vermittelte. Dieses Buch war meine erste Lektüre von Susan Wiggs – es hat mir wunderschöne Lesestunden bereitet und mir ausgezeichnet gefallen.