Rezension

Erst zäh, dann gute Unterhaltung

Unser kostbares Leben -

Unser kostbares Leben
von Katharina Fuchs

Bewertet mit 4 Sternen

Der Roman, der in einer fiktiven hessischen Kleinstadt spielt, beginnt im Jahr 1972.

Minka, die Tochter des Bürgermeisters, und Caro, die Tochter des Generaldirektors der Cassada, einer Schokoladenfabrik, die gleichzeitig neben einer Pharmafabrik der größte Arbeitgeber der Stadt ist, sind trotz der unterschiedlichen politischen Einstellungen ihrer Elternhäuser beste Freundinnen.

Beide gehen 1972 noch zur Grundschule und fangen gerade an, sich für Themen wie Umwelt, Tierschutz und Politik zu interessieren.

Als ihr Schulfreund Guy im Schwimmbad einen Badeunfall erleidet, fangen Minka und Caro an, die Gründe dafür zu hinterfragen und die am Rande gemachte Äußerung eines der Mädchen tritt eine ungeahnte Lawine des Vertuschens in den politischen Gremien der Stadt los.

Die dritte im Bunde der Hauptprotagonistinnen ist Claire, eine junge Vietnamesin, die zunächst im örtlichen Waisenhaus untergebracht ist, später dann aber von Caros Eltern adoptiert wird.

Niemand weiß jedoch, dass die Heimkinder für Versuche der Pharmaindustrie missbraucht werden.

Von 1972 über 1976 bis ins Jahr 1980 verfolgt man nun als Leser die Entwicklung der drei Mädchen ebenso, wie den Livestyle der 70er, die politische Entwicklung und den Strukturwandel der Kleinstadt Mainheim.

Gegliedert ist auch dieses Buch von Katharina Fuchs in einzelne Kapitel, die als Überschrift jeweils den Namen der Person tragen, aus deren Sicht bzw. über die im Kapitel erzählt wird.
Dies hat vor allem in diesem Buch dazu beigetragen, dass ich nicht gänzlich den Überblick verloren habe.

Mit diesem Buch der Autorin habe ich mich nämlich am Anfang recht schwer getan.

Die Vielzahl der Themen (Umweltschutz, Tierschutz, Politik, Medikamentversuche an Schutzbefohlenen ect.), die mehr als ausführlichen Beschreibungen aller handelnden Personen sowie die plakative, fast schon oberlehrerhaft anmutende Aufzählung von Dingen und Begebenheiten, die 70er Jahre Flair vermitteln sollten (von Werbung über Wohnungseinrichtung oder der Beschreibung von Kassetten, in die das braune Band reingedreht wird), machten es mir schwer, mich ins Buch einzufinden, einen roten Faden zu entdecken und  mich mit den Protagonisten zu identifizieren.

Sobald man aber als Leser das Jahr 1972 verlässt nimmt das Buch an Fahrt auf, ein roter Faden wird erkennbar und fast alles, was ich an den Vorgängerbüchern der Autorin so geschätzt habe, war wieder da.

Sehr schön beschrieben, wie sich die Mädchen im Laufe der Jahre zu eigenständigen Personen entwickeln, die sich von den Ansichten der Elternhäuser abnabelten und ihre eigenen Wege gingen.

Schade nur, dass die Figur der Caro dabei ein bisschen aus dem Fokus geriet und dass mir zu einigen Handlungssträngen (z. B. zu der Frage, wie ging es Guy nach dem Unfall) einfach mehr Informationen fehlten.

Nicht wirklich eingängig ist mir auch der sehr kurze Schlenker in die heutige Pandemiezeit am Ende des Buches.

Abschließend bleibt zu sagen, dass sich das Buch gewohnt flüssig liest und dass es mich gut unterhalten hat.

Leider muss ich jedoch sagen, das der Flair der 70er und beginnenden 80er Jahre, obwohl das Buch eine übermäßige Fülle an Informationen aus dieser Zeit enthielt, bei mir nicht richtig herüberkam.
Vielleicht wäre hier weniger mehr gewesen.

Gleichwohl hat es mir vieles, was ich schon vergessen hatte, ins Gedächtnis zurückgerufen und wer Informationen über diese Zeit, gepaart mit einer guten Romanhandlung, sucht, wird mit diesem Buch bestens beraten sein.

Da das Buch verglichen mit den Vorgängerromanen der Autorin jedoch ein bisschen abfällt, von mir nur 4 Sterne.