Rezension

Erster-Erster

Neujahr - Juli Zeh

Neujahr
von Juli Zeh

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning will mit dem Rad den Steilaufstieg nach Femés bezwingen.Seine Ausrüstung ist miserabel, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft,rekapituliert er seine Lebenssituation. Eigentlich ist alles in Ordnung, die Kinder gesund, der Job passabel.Aber Henning fühlt sich überfordert. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder.Seit einiger Zeit leidet er unter Panikattacken, die ihn heimsuchen wie ein Dämon. Als er schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht,führt ihn ein Zufall auf eine gedankliche Zeitreise in seine Kindheit. Schlagartig durchlebt er wieder, was ihn einmal fast das Leben gekostet und bis heute geprägt hat.

 Meine Meinung

Nach „Nullzeit“, „Unterleuten“ und „Leere Heren“ ist dies mein nun vierter Roman der Autorin und ich wurde erneut nicht enttäuscht von Juli Zeh’s neustem Werk.

 Die klaren Strukturen und der prägnanter Erzählstil von Juli Zeh, geben dem Leser sofort die Möglichkeit,  in die Geschichte einzutauchen, obwohl oder gerade weil Sie ruhig und sachlich geschildert wird, herrscht eine grandiose Spannung – die große Frage nach dem Warum und was ES ist.

 "ES befällt ihn mittlerweile nicht nur nachts, sondern auch am helllichten Tag. Zwischen den Attacken ringt er mit der Angst vor der nächsten Attacke. Abgesehen davon gelingt es ihm nicht, seinen Platz zwischen Job und Kindern zu finden. Sein Leben  gleicht  einer  Flucht,  er  kann  nichts  zu  Ende  bringen,  hat  für  nichts richtig Zeit.“ (ZITAT)

 "Seitdem besucht ihn ES, wann immer es will. Es beginnt mit einem Brennen im  Zwerchfell,  wie  eine  Mischung  aus  Lampenfieber  und  Flugangst.  Sein Herz fängt an zu rasen, dann zu stolpern. Hennings Körper und Geist geraten außer  Kontrolle. Manchmal weckt ES  ihn mitten  in der  Nacht.“ (ZITAT)

 Man ist fixiert von der Handlung und neugierig wie es weiter geht, was nun passiert, was Henning so stark belastet, dass es ihm beinahe „die Luft nimmt“.

 „Henning  folgt  wie  von  selbst,  das  Gehirn  erteilt  dem  Körper  keine bewussten  Befehle  mehr.  Sein  System  steht  kurz  vor  dem  Not-Aus.  Er versteht  schon  seit  einer  ganzen  Weile  nicht  mehr,  was  passiert.  Er  zieht  in Erwägung, gar nicht wach zu sein, aber das ist ausgeschlossen, er weiß, dass er  nicht  träumt.  „ (ZITAT)

 In der Handlung geht es um eine Familie die Urlaub in Lanzarote macht. Das wären Hennig mit seiner Frau Theresa und den beiden Kindern Bibbi und Jonas.

Das Buch handelt nicht nur von dem Ferienparadies, sondern auch um die Krise eines Mannes, der zwischen ungeklärten Geschlechterrollen zerrieben und von Burnout geplagt wird. Es geht darin auch um die Frage, ob unser Leben bereits in den Kindheit vorbestimmt wird oder ob wir selbst es sind, die über Glück und Unglück entscheiden.

Es geht um das Aufarbeiten der Vergangenheit und um die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen.

 „Henning  sagt,  dass  frühe  Erinnerungen  oft  auf  Fotos  oder  Erzählungen beruhen.  Man  kann  sie  sogar  erzeugen,  indem  man  erwachsenen  Menschen manipulierte Bilder  aus ihrer  Vergangenheit  zeigt.“ (ZITAT)

„Neujahr“ – für mich eine ganz besondere Geschichte mit sehr emotionalen Momenten, die nachdenklich machen mit einem relativ abrupten Ende, bei dem man das Geschriebene nochmals Revue passieren lässt.

Möglicherweise sogar das beste Buch der Autorin.