Rezension

Erwachen

Drei Tage in der Sonne - Tatiana De Rosnay

Drei Tage in der Sonne
von Tatiana de Rosnay

Bewertet mit 4 Sternen

Nicolas Kolt sonnt sich in dem Erfolg seines Debütromans, der weltweit Aufmerksamkeit erregte. Seine Literaturagentin hat ihm bereits einen großen Vorschuss auf das nächste Buch gewährt. Doch statt zu schreiben, sucht er im Internet nach Fans, meint, jeder müsse ihn kennen und fährt in Urlaub. Sein schlechtes Gewissen plagt ihn und deshalb hofft er auf einer kleinen italienischen Insel in einem mondänen Hotel Ideen für ein neues Buch zu finden. Für drei Tage hat er sich dort mit seiner derzeitigen Freundin eingenistet. Drei Tage, in denen ihn Erinnerungen einholen.

„Er hat diesen Roman vor vier Jahren an Delphines wackeligem Küchentisch in der Rue Pernety geschrieben, während auf der einen Seite neben ihm Gaїa brabbelte, auf der rechten Seite der Wasserkessel pfiff und Delphine am Telefon mit ihrer Mutter oder mit Gaїas Vater plauderte. Nichts und niemand konnte den Fluss der Worte behindern, der ihm voller Leidenschaft, Zorn, Furcht und Freude entströme.“ (Seite 16)

Der Autorin ist es gelungen, mich tief in die verwundete Schriftstellerseele schauen zu lassen. Gekonnt ist die Einführung der unterschiedlichen Figuren, denen Nicolas im Laufe seines Lebens begegnet ist und die ihm zu seinem Erfolg verhalfen. Doch nun „fehlt Dir alles, was man braucht, um Schriftsteller zu sein. Um Schriftsteller zu sein, musst du leiden. Du brauchst die verborgene Wunde in dir. Du musst bluten“, sagt sein Freund Franҫois, der inzwischen nichts mehr mit seiner Arroganz zu tun haben will, auf Seite 161.

Plötzlich fühlte er sich „eingesperrt in einem goldenen Käfig mit lauter eleganten Gästen, die gerade in einer weiteren Prozession von Designerkleidern und Juwelen an der Bar ankamen“ (Seite 194). Statt sich weiterhin in der ständigen Aufmerksamkeit der Medien und der anhaltenden Bewunderung seiner Leser zu sonnen, wird ihm das ganze Ausmaß seiner Lethargie bewusst.

Gut gefallen haben mir Nicolas Recherchen über die Schreibgewohnheiten anderer Schriftsteller und die Rückblicke auf seine Besuche in den Häusern berühmter Romanciers. Auch seine Beobachtungsgabe hat die Autorin ins rechte Licht gerückt. Was dann schließlich dazu geführt hat, dass er den Füllfederhalter seines viel zu früh verschwundenen Vaters wieder zur Hand nahm, sollten Interessierte selbst erkunden. Mir hat das Buch recht gut gefallen.