Rezension

...erwachsene Neu-Interpretation des Märchen-Klassikers!

Die Bremer Stadtmusikanten - Jacob und Wilhelm Grimm

Die Bremer Stadtmusikanten
von Jacob und Wilhelm Grimm

Alt sind sie geworden, diese vier selbsternannten Musiker. Obwohl: Wenn wir dem Originaltext der Brüder Grimm folgen, dann waren sie nie etwas anderes gewesen und schon immer sehr weit entfernt von den possierlich-kindlichen Helden oder dem dynamischen Quartett, wie sie gerne von einigen Illustratoren der Vergangenheit porträtiert wurden.

Bei Illustrator Gabriel Pacheco sind sie vom Leben gezeichnete Kreaturen, alt und verbraucht: Die wunden Beine des Esels sind bandagiert, der Hund leidet an einer Ohrenentzündung, der Katze tanzen die Mäuse auf dem (Regenschirm-)Dach, und der Hahn findet ohne seine Brille den Weg nicht mehr. Trotz ihrer Gebrechen formen diese heruntergekommenen Barden ein Team, in dem jede*r seinen Platz ein- und seine Aufgabe wahrnimmt. Und so wirken diese vier „Ritter der traurigen Gestalt“ auf mich nicht hoffnungslos – Nein! – sie wirken eher positiv in ihrem Vertrauen auf eine bessere Zukunft: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“

Auch den Räubern versagt Pacheco ihren gewohnten Look: Nicht der zauselige und haarige Wegelagerer à la „Räuber Hotzenplotz“ haust dort im finsteren Wald und muss sich aus seinem Haus vertreiben lassen. Hier treten Ringel-bestrumpfte und weiß-gewandete Gestalten mit Masken der Commedia dell’arte auf, die mit ihrer schablonenhaften Mimik nicht weniger furchteinflößend wirken.

Auch das Umfeld, in der Pacheco seine Protagonisten agieren lässt, wirkt beinah wie ein Bühnenbild: In einem reduzierten Setting zwischen Abstraktion und Realismus lässt er blattlose Bäume wachsen, schnörkellose Behausungen entstehen und einen Theater-Mond leuchten.

Vielleicht gerade weil er in diesem Bilderbuch den Bremer Stadtmusikanten die Niedlichkeit verwehrt, entwickeln sie ein eindrucksvolles Eigenleben und somit ihre unverwechselbare Charakterisierung, die mich, den Betrachter sehr berührte: Im Mut, ein mögliches Scheitern zu akzeptieren, verbirgt sich die größte Stärke.