Rezension

Erzählungen

Geschichten in Grau - Anton Tschechow

Geschichten in Grau
von Anton Tschechow

Bewertet mit 3 Sternen

Nachdem ich eine hervorragende Biografie von Anton Tschechow gelesen hatte, war es mir wichtig, mir auch ein Bild von seiner schriftstellerischen Arbeit zu machen. Vielleicht habe ich mir dazu nicht das richtige Buch ausgesucht? Es war nicht schlecht, aber es hat mich auch nicht vom Hocker gerissen.

Das Buch enthält eine längere und fünf kürzere Erzählungen, in denen Tschechow unverkennbar viele eigene Erlebnisse und Erkenntnisse verarbeitet hat. Als Arzt hatte er die Möglichkeit, sich intensiv mit Menschen und ihren Lebensmotiven auseinander zu setzen.

In seinen Novellen gibt es Aristokraten, lernende Jugendliche, Schauspieler und Heiratsunwillige. Die Cholera, die große Bedrohung jener Zeit wird ebenso oft erwähnt wie Menschen, die die Ansprüche, die von außen an sie herangetragen werden, nicht erfüllen können.

So auch „Der Taugenichts“ (die längste Erzählung in diesem Buch), der vom Vater verstoßen wird, nachdem er jede Ausbildung für einen Schreibtischberuf nach kurzer Zeit abbrach. Als Handwerker fühlt er sich nun in seinem Element, findet vorübergehend sogar in der Liebe sein Glück.

„Wir haben viel gearbeitet, haben viel gedacht, wir sind besser geworden, wir haben in der persönlichen Vervollkommnung Erfolge gemacht, - das muss alles anerkannt werden. Haben aber unsere Erfolge auch irgendeinen Einfluß auf das uns umgebende Leben gehabt, haben sie jemandem genützt?“, fragte ihn seine Frau, bevor sie ihn verließ.

Tschechow hat in einem Brief an einen Freund selbst festgestellt, dass er seine Geschichten schnell hinschrieb, manchmal nur wenig Sorgfalt darauf verwendete. Sie lassen sich ebenso schnell weglesen und geben einen Einblick in die russische Seele. Mir kommt es so vor, als hätte der Autor die Handlungsweisen der Menschen von außen beschrieben, ohne sie zu werten.

Gefallen hat mir, wie Tschechow seine Protagonisten charakterisiert: „Jekaterina Iwanowna setzte sich hin und schlug mit beiden Händen in die Tasten; gleich darauf schlug sie nocheinmal mit voller Kraft hin, und dann nocheinmal und nocheinmal, ihre Schultern und Brust bebten, sie schlug hartnäckig immer auf die gleiche Stelle los, und man hatte den Eindruck, daß sie nicht eher aufhören wollte, als bis sie die Tasten tief ins Klavier hineingejagt haben würde.“

Trotz des immer wieder aufkeimenden Humors war diese Lektüre für mich nur mittelmäßig. Vielleicht werde ich es demnächst nocheinmal mit einem anderen Buch versuchen, mich diesem bedeutenden russischen Schriftsteller zu nähern …

Eine Anmerkung zum Schluss: Ich habe nicht dieses Buch in der Hand gehabt, sondern ein kostenloses ebook, das ich hier nicht gefunden habe.