Rezension

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Erzählweise hat mir leider gar nicht gefallen

Blutrausch - Er muss töten - Chris Carter

Blutrausch - Er muss töten
von Chris Carter

Bewertet mit 2.5 Sternen

Dieser Autor wurde mir schon sehr empfohlen, daher habe ich auch zugegriffen als ich seinen neuesten Band der Krimireihe um die Special Detectives Hunter und Garcia entdeckte.
Der erste Blick ins Buch hat mich auch sehr begeistert und neugierig gemacht. Ich fand prinzipiell die Idee des Krimis nicht schlecht. Die Motive für die Morde, wie am Ende alles zusammen hängt, das war durchaus interessant. Aber leider gab es doch zahlreiche Dinge, die mich gestört haben, so dass ich am Ende nur 2,5 Sterne vergeben mag.

Am nervigsten waren die Dialoge zwischen den einzelnen Ermittlern.
Zum einen war da ein wiederholtes Geschwafel, vorzugweise um Kunst und Kunstwerke und wie die einzelnen Tatorte interpretiert werden können. Spätestens bei der 3. Diskussion darüber hab ich nur mit den Augen gerollt. Vor allem weil ermittlungstechnisch ja sonst auch so gar nichts weiter gegangen ist. (Was ist zB mit dem Handy des Opfers, das wir zuerst kennen lernen? Sie macht ja ein Selfie von sich, auf dem auch der Täter zu sehen ist. Hat der Täter das Foto gelöscht, das ganze Handy mitgehen lassen, wieso wird dazu nie wieder was erwähnt??)
Am meisten gestört hat mich allerdings, dass mehrmals die Ermittler als quasi 'minderbemittelt' dargestellt werden, ohne dass das der Autor das beabsichtig hat. Aber es kam bei mir so eben an. Denn wenn sie in ihren Gesprächen auf Dinge zurückkommen, die sie schon mal besprochen hatten, dann fragten sie das Gegenüber immer sowas wie "du hast gestern xy gesagt, erinnerst du dich?" oder auch "weißt du noch, dass wir das und jenes festgestellt hatten". Na klar erinnert er (oder sie) sich, das ist ja gerade mal ein paar Stunden her!! Und diese Art der Gesprächsführung zieht sich eigentlich komplett durch. Die andere Variante ist, wenn jemand was sagt und jmd anderes dann "Häh" oder "Wie meinst du das?", so dass sich Ersterer dann veranlasst sieht das Ganze nochmal klar und deutlich zu erklären. Oder es gibt eine klare Anweisung, und trotzdem fragt die Ermittlerin "Wovon reden Sie?". Als ob sie schwer von Begriff wäre...
Ein Beispiel für einen solchen unnötigen Dialog: ~~"Ich glaube wir haben einen Fehler gemacht", begann Hunter, sobald sich alle um seinen Schreibtisch geschart hatten. "Einen Fehler?" wiederholte Agent Fisher. Ihre Unsicherheit spiegelte sich in Garcias und Williams' Mienen. "In Bezug auf was?"~~ Hätte sie ihn doch einfach mal weiterreden lassen, dann wären wir alle schon sehr viel schneller schlauer gewesen.

Mir ist schon klar, dass beides (das Wiederholen von schon mal gesagtem sowie das genaue Erklären) wahrscheinlich vom Autor deshalb so geschrieben wurde, um auch dem Leser die Chance zu geben den Ermittlungen genauesten zu folgen. Aber es ist halt nun mal nicht so, wie ich mir authentische Gespräche zwischen Super-Detectives vorstelle (denn wir reden hier nicht von irgendwelchen Deputies vom Dorfe, sondern es sind ja angeblich die Besten der Besten). Der einzige der noch einigermaßen gut wegkommt, ist Robert Hunter - weil er auch die meisten Thesen und Interpretationen beisteuert und seinen Kollegen dann erklärt, und daher braucht er nicht so viel nachzufragen.
Ich glaube, der Autor hätte hier besser mit einem auktorialen Erzähler gearbeitet, um dem Leser die wichtigen Details zu vermitteln anstatt die angeblichen Experten sich so unterhalten zu lassen, als ob sie ihren Job erst seit gestern machen würden.

Vorsicht, leichter SPOILER
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Auch an einer anderen Stelle verhalten sich Hunter und Garcia total unprofessionell. Sie wollen ein Haus, wo sie einen Verdächtigen vermuten, geräuschlos betreten und machen sich sogar Sorgen um quietschende Türangeln und knarrende Dielenbretter. Aber trotzdem reden sie beide ziemlich viel miteinander, auch über so belanglose Dinge wie den Namen ihrer Waffen. Ein Knarren könnte eine Person also aufschrecken, ihre Stimmen aber nicht? Profis hätten sich da wohl überhaupt nur mit Handzeichen verständigt. Als sie später Schüsse hören, denken sie "da ist etwas gewaltig schief gegangen!" Wieso? Sie sind da, weil sie einen Verdächtigen fassen wollen. Kann es nicht sein, dass ihr Kollegenteam diesen gerade gestellt hat und es deshalb Schüsse gab? Wieso gehen sie sofort vom Schlimmsten aus?
---ENDE SPOILER---

Der Autor war aber auch an anderen Stellen sehr geschwätzig. So beschreibt er die äußerliche Erscheinung eines Pathologen sehr detailliert, obwohl die absolut irrelevant ist. Wenn überhaupt, hätte man vielleicht ein signifikantes Merkmal für diese Person, die nur auf 2 Seiten vorkommt, anführen können. Auch der Autopsie-Raum wird genau beschrieben, und am Ende kommt dann sowas wie "bis auf den Grundriss unterschied sich der Raum nicht viel von anderen dieser Art". Ja wieso sollte er denn auch? Ich schätze es, wenn ein Autor dem Leser das Setting oder auch die auftretenden Personen beschreibt, aber manches ist dann auch einfach nur überflüssig.

Dann sind da auch noch die ausführlichen inneren Monologe des Täters, in denen es vorwiegend um seine Gefühlswelt und sein Erregungsgefühl geht, hier und da gespickt mit rhetorischen Fragen, wann und wie das FBI seine Genialität erkennen würde.

Die zeitlichen Sprünge, die immer wieder auftauchten, fand ich ebenfalls den Lesefluss störend. Immer wieder passierte es, dass ein Kapitel nicht dort wieder anknüpfte wo das vorherige aufgehört hatte, sondern zu einem früheren Zeitpunkt einsetze, um das Zustandekommen der Szene auch aus der anderen Sichtweise zu schildern. Allerdings war einem nicht immer ganz klar, ob es sich nun um einen solchen Zeitsprung handelte, und wenn ja wie lange vorher das spielte. Das war manchmal eine Stunde, manchmal nur ein paar Minuten. Aber man brauchte immer wieder einen kurzen Moment, um sich gedanklich zu sortieren, und das Gelesene richtig einordnen zu können.

Das Ende passt für mich dann zeitlich auch so gar nicht zusammen.
Vorsicht, großer SPOILER!!!!!
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Hunter sagt, er hätte 1h nachdem der Krankenwagen da war, den Anruf mit dem Namen und Adresse erhalten. Selbst wenn Kennedy gleich reagiert, so ist die SWAT-Einheit nicht in 5min bei selbiger, sondern braucht eine Weile. (Und wie bitte haben sie eigentlich so schnell die Sicherheitsfirma ausfindig machen können, um das Alarmsystem zu deaktivieren? Und wieso baut sich so ein Super-Computerexperte nicht einfach seine eigene, sondern beauftragt mit sowas eine Fremdfirma?? Nie im Leben!). Der Täter allerdings geht relativ rasch nachdem seine Monitore ausgefallen sind, zu seiner Geisel. Was bitteschön machte er dann die nächsten mindestens 2h dort noch?
Und noch eine zeitliche Ungereimtheit: erst 2 Tage später will die Chefin von Hunter wissen, wie er denn eigentlich auf die Spur des Täters gekommen ist! 2 Tage!
----ENDE SPOILER--------

Den Titel finde ich auch nicht sehr passend zum Inhalt und vor allem Motiv des Täters. Da ist der englische Originaltitel weitaus treffender.

Insgesamt findet die Handlung des Buches innerhalb weniger Tage statt. Aber aufgrund all der aufgezählten erzählerischen Mängel war es für mich keineswegs was man einen fast-paced thriller nennt. Schade, dabei hatte ich mich wirklich auf das Buch gefreut.
Ich habe bereits ein früheres Buch aus dieser Reihe, und werde das sicher auch nochmal lesen. Denn offensichtlich gefällt dieser Autor ja so vielen anderen LeserInnen. Und ich bin jetzt schon sehr neugierig, ob das eine einmalige Sache gewesen ist, oder tatsächlich sein Erzählstil. Falls es letzteres sein sollte, dann ist Chris Carter wohl eher nichts für mich.