Rezension

Es gelingt mir nicht mehr, mich zu Hause zu fühlen.

Zimmer frei in Nagasaki - Éric Faye

Zimmer frei in Nagasaki
von Éric Faye

Zum Inhalt: Shimura Kōbō, Meteorloge aus Nagasaki, führt ein sehr zurückgezogenes und regelmäßiges Leben.

„Wer ich bin? Ohne übertreiben zu wollen, ich bin nichts Besonderes.“ (S. 9)

Doch plötzlich fallen ihm Unregelmäßigkeiten in seiner Wohnung auf. Essen verschwindet, Dinge, von denen er sicher ist, sie gekauft zu haben. Und der Füllstand in der Saft-Packung ist abends 7 cm niedriger als noch am Morgen.

„Einmal habe ich mich dazu hinreißen lassen, das Innere des Kühlschranks zu fotografieren, doch damit hörte ich wieder auf. Aus Nachlässigkeit oder Furcht, mich lächerlich zu machen…“ (S. 12)

Während es zunächst nur ein dunkler, mehrmals wieder verworfener Verdacht ist, wird die Wahrheit spätestens, als Shimura beginnt, seine Küche mit einer versteckten Webcam, die er von der Arbeit aus kontrolliert, zur Gewissheit: während seiner Abwesenheit hält sich regelmäßig eine Frau in seiner Wohnung auf.
Und es kommt noch schlimmer: als die Frau schließlich gefasst wird, muss Shimura erkennen, dass er seine Wohnung seit fast einem Jahr mit seiner heimlichen Mitbewohnerin, die dort auch ihre Nächte verbrachte, teilte…

„Ich verstand, dass dieses gemeinsame Jahr, das sie und ich miteinander verbracht hatten, auch wenn sie mich nicht kannte und ich nichts von ihr wusste, mich verändern würde und dass ich schon jetzt nicht mehr genau der Gleiche  war.“ (S. 55)

Eigene Meinung: Der Stil des kleinen, 110 Seiten langen Romans von Éric Faye hat mich zunächst stark an die Werke von Haruki Murakami erinnert. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Handlung eben auch in Japan spielt, aber der zurückgezogen lebende, seinen persönlichen Ritualen stark verbundene und durch alles Neue beunruhigte Shimura, der sich dabei seiner Einsamkeit allerdings deutlich bewusst ist, hätte genauso gut auch ein Charakter Murakamis sein können.
Der Roman lässt sich angenehm lesen - nachdem ich (aus Zeitmangel) ein paar Anläufe gebraucht habe, bis ich richtig drin war, habe ich die Geschichte um Shimura Kōbō und seine heimliche Mitbewohnerin in einem Rutsch durchgelesen.
Während mir der erste Teil der Handlung, der aus Shimuras Sicht erzählt wird und ca. zwei Drittel der Seiten umfasst, richtig gut gefallen hat, war für mich der zweite Teil, aus der Sicht der heimlichen Mitbewohnerin geschildert, in dem sie erklärt, wie sie in diese Lage gekommen und warum sie durch ihre Biographie mit eben diesem Haus verbunden ist, zwar inhaltlich schlüssig, aber eben nicht ganz rund. Das mag auch an dem für mich etwas abrupten Ende der Handlung liegen.
Zusammenfassend kann ich jedoch sagen, dass es ein sehr interessantes Buch eines für mich neuen Autors war, welches mich neugierig auf weitere Werke von Éric Faye gemacht hat.