Rezension

Es gibt keine einzige Wahrheit

Die drei Leben der Hannah Arendt - Ken Krimstein

Die drei Leben der Hannah Arendt
von Ken Krimstein

Bewertet mit 4 Sternen

Ken Krimstein ist eigentlich ein Cartoonzeichner. Mit dem Buch „Die drei Leben der Hannah Arendt“ hat er erfolgreich Neuland betreten und eine biografische Fiktion über das Leben der großen Denkerin geschaffen. Das (mittlerweile preisgekrönte) Werk ist laut Autor keine Biografie im wissenschaftlichen Sinn, sondern eine Interpretation ihres Lebens, das auf Faken aufgebaut ist. 

Auf rund 230 Seiten stellt er ihr Leben dar, die Zeichnungen sind in schwarz-weiß gehalten, die Formate der Bilder wechseln sich ab. Einzig Hannahs Kleidung ist in grün gehalten, so kann man sie immer gut erkennen, auch die obligatorische Zigarette fehlt selten. Obwohl die Bilder auf den ersten Blick wie leichte, provisorische Skizzen wirken, haben sie eine große Ausdruckskraft. Zur Akzentuierung sind ein paar Fotos eingefügt, die sich aber nicht in den Vordergrund drängen.

Hannahs Lebensweg wird nur sehr grob skizziert, anfangs scheint der Fokus mehr auf den vielen bekannten Männern zu liegen, die sie kannte und von denen einige sie sehr prägten. Teilweise dachte ich, dass hier wirkliche jede Berühmtheit der Zeit vertreten ist. Ein hilfreiches Personenverzeichnis zur Orientierung ist am Ende des Buches finden. Zunehmend geht es aber um Hannah und im letzten Drittel werden ihre Werke und Theorien vorgestellt, so dass man einen ersten Eindruck über ihr Schaffen erhält. 

 

Hannah Arendt wurde in 1906 in Deutschland geboren und fiel früh durch ihre Wissbegier und ihren Charakter auf. Sie studierte in Marburg, traf auf Heidegger, der sie prägte, ging dann nach Berlin und floh 1933 vor den Nazis über Tschechien und verschiedene Stationen nach Paris. Nach einer Zeit der Staatenlosigkeit gelangte sie über Portugal in die USA. Hier konnte sie nach einer Durststrecke Fuß fassen, wurde erste weibliche Professorin in Princeton. Ihre Werke zu Totalitarismus und später zu Natalität und Pluralität machen sie bekannt. Später polarisierte sie mit ihren Veröffentlichungen über den Eichbergprozess, fast alle Freunde wandten sich danach von ihr ab. Sie wurde geliebt und auch angefeindet. Von ihrem ureigenen Weg hat sie sich bis zu ihrem Tod 1975 nicht abbringen lassen. 

In dem vorliegenden GN wird vieles nur angesprochen, zur Vertiefung bietet diese Form keinen Raum. Der Zweite Weltkrieg, seine Gräuel und Folgen haben Hannah Arendt stark beeinflusst, schließlich war sie selber davon betroffen. Die Frage nach dem Warum, den Werten und was es heißt Mensch zu sein, trieben sie zu immer neuen Denkansätzen. 

Das Buch gab mir einen ersten Überblick zu der Biografie einer großen Frau und zu ihrem Werk, das mir Lust gemacht hat, mich weitergehend damit zu beschäftigen. 

 

Krimstein selber sagt, er wollte Leser einladen, sich direkt mit dem Denken Hannah Arendts auseinanderzusetzen, da dies helfen kann unsere fortwährende, niemals endende Gegenwart besser zu verstehen. Bei mir ist dies aufgegangen und ich bedanke mich herzlich für die Einladung.