Rezension

Es ist grausam, es ist nichts für schwache Nerven, es ist wichtig!

Grenzgänger - Mechtild Borrmann

Grenzgänger
von Mechtild Borrmann

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist! So steht es auf dem Klappentext des Romans von Mechtild Borrmann „Grenzgänger“. Ein Buch, das viele Themen streift, vertieft, sich umhüllen lässt von unfassbarem Leid und Machtmissbrauch. Aus vielerlei Schichten der Gesellschaft und der Zeit geschuldet. Es ist ein Werk, der an die Nieren geht und nicht für jede Person geeignet ist. Und ich muss zugeben, zum Schluss mochte ich die eine oder andere Stelle nicht genau lesen. So sehr hat es mich berührt.

In Erinnerung daran, dass es sich zwar um eine fiktive Geschichte handelt, es aber viele, viele Male so oder so ähnlich tatsächlich geschah, ist es das, was einen schauern lässt. Da sind zum einen die vielen verschwiegenen Leiden, die viele Menschen nach dem Krieg haben zerbrechen lassen. Ob es nun die Soldaten waren, die zurück aus dem Krieg kamen, mit oder ohne Gefangenschaft, die Flüchtlinge, die Überlebenden zu Hause. Man steckte das weg, musste es wegstecken, denn geholfen hat einem keiner. Da waren die Taten, die geschehen mussten, um nicht zu verhungern, um wieder auf die Beine zu kommen. Und dann war da die Kirche, die hinweg sah, Dinge nicht duldete, eine Doppelmoral. Aber auch die Gesellschaft, die Menschen, die lieber mit dem Finger auf andere zeigten und anderen die Schuld gaben, als zu gestehen, dass man auch seinen Teil zu tragischen Geschichten beigetragen hatte. Lieber schweigen, als zugeben, dass viele Dinge falsch gelaufen sind. Hätte es nicht den Mut einiger weniger gegeben, die endlich den Mund aufgemacht hatten, oder in schwierigen Situationen Hilfestellung leisteten, vieles wäre auch heute noch unaussprechlich. All das schwingt in den Zeilen der Autorin mehr oder weniger deutlich.

Den Anfang macht das Leid. Vom Leid einer zerbrochenen Seele, die im Krieg blieb. Aber doch Vater von vier Kindern ist. Der zum Glück eine Frau hat, die alles zusammenhalten soll. Die aber früh verstarb und der kleinen Henni, der ältesten Tochter, alles überlässt. Einem Vater, der in der Familie keinen Halt mehr findet und lieber in die Kirche rennt, als seiner eigenen Familie beizustehen oder sich von ihnen helfen zu lassen. Der es am liebsten hätte, wenn die Kinder ins Heim kommen. Aber Henni ist stark. Sie schmuggelt Kaffee und gute Butter von der nahe gelegenen Grenze. Bis bei einem Gang die jüngere Schwester erschossen wird. Henni kommt in die Besserungsanstalt, die jüngeren Brüder nun doch noch ins Heim. Die geschilderten Erfahrungen der Kinder sind grausam und unfassbar. Doch wissen wir heute, dass das alles nur die Spitze des Eisbergs ist. Und deswegen kaum zu ertragen ist zu lesen. Die Autorin lässt Henni immer wieder Mut fassen, doch was ihr und ihren Brüdern widerfährt, ist einfach zu viel. Einer der Brüder stirbt an Lungenentzündung durch die Misshandlungen im Heim, nur der Jüngste ist noch da. Der Vater, ein menschliches Wrack und nicht imstande seinen Kindern eine Hilfe zu sein, stößt sie abermals von sich. Schuld soll immer nur eine haben, egal was passiert, und das ist Henni. Und es kommt noch schlimmer.

Es braucht Mut, dieses Buch zu lesen, das einen nicht mehr los lässt. Der Schreibstil der Autorin ist fesselnd, man mag nicht aufhören, trotz des Schrecklichen, was sie schildert.

Das mag ich trotzdem nicht vergessen zu erwähnen.
Mehr über die Autorin findet sich zum Beispiel unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Mechtild_Borrmann