Rezension

Es ist nie zu spät für einen Neuanfang

Ein unvergänglicher Sommer - Isabel Allende

Ein unvergänglicher Sommer
von Isabel Allende

"Mitten im Winter entdeckte ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher Sommer ist." - Besser kann man den Inhalt dieses neuen bewegenden Romans von Isabel Allende nicht zusammenfassen. Mitten im tiefsten Schneesturm in Brooklyn gerät Richard, der etwas eigenbrötlerisch mit seinen drei Katzen lebende Uni-Professor, in einen Auffahrunfall. Alles ein harmloser Unfall? Wohl kaum, denn plötzlich steht das junge guatemaltekische Kindermädchen Evelyn vor seiner Haustür und kann nicht zurück, denn das Auto ist von ihrem Dienstherrn gestohlen, sie lebt ohne Papiere in den USA und im Kofferraum des Autos befindet sich - zum Unglück aller Beteiligten - auch noch die Leiche einer jungen Frau. Schnell wird klar, die Leiche muss weg. Zusammen mit seiner chilenischen Untermieterin, der lebenslustigen Lucia schmiedet er einen Plan, die Leiche zu entsorgen. Auf dem Weg zu einer abgelegenen Hütte nördlich von New York kommt sich die Schicksalsgemeinschaft näher. Ein Kaleidoskop von Schicksalen, mittel- und südamerikanischer Geschichte entfaltet sich...

Wahnsinn! Das Buch von Isabel Allende hat mich sehr bewegt. Und die Autorin beweist hier wiedermal ihre große Erzählkunst. Es ist nicht unbedingt die Geschichte der Leiche, an deren Beseitigung alle drei eher unfreiwillig beteiligt sind. Es sind die Geschichten der drei Hauptcharaktere, die den Leser tief in die Vergangenheit des süd- und mittelamerikanischen Kontinent hineinziehen und diesen mitreißen. Da ist Richard, der einst in Brasilien liebte und lebte und durch einen selbst verschuldeten Schicksalsschlag seine Familie verlor. Da ist Lucia, die in Chile während der Diktatur aufwuchs und nie erfuhr, warum ihr Bruder Enrique spurlos verschwand. Und schließlich Evelyn, die in den grausamen Bandenkriegen ihre Brüder verlor und auf abenteuerlichen Wegen und mit Hilfe von Schleusern die Flucht in die USA antrat. Das sind die eigentlichen ergreifenden Zeugnisse, die mich als Leser zutiefst bewegt und auch beeindruckt haben. Besonders hat mich Lucia emotional berührt. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die trotz ihrer schweren Jugend nie die Hoffnung aufgab und auch eine schwere Krankheit und eine zerbrochene Ehe "überlebte". Sie ist eine starke Kämpferin und wenn man so will der zentrale Ankerpunkt der Geschichte. Allende versteht es geradezu mühelos und leicht zu schreiben und mit den oft sehr furchtbaren Schicksalen behutsam umzugehen. In den wechselnden Perspektiven erhält der Leser immer wieder ein Puzzleteil aus der Vergangenheit der drei Protagonisten und kann sich so über deren jetzigen Charakter, der durch diese Vergangenheit geformt wurde, ein sehr gutes Bild machen. Ich habes diese Buch sehr schnell gelesen. Das Cover ist zudem sehr melancholisch, wenn auch leicht pathetisch wirkend gestaltet. Dennoch gibt es einen sehr guten Eindruck wieder von dem, was der Kern der Geschichte ist: Man ist nie zu jung für einen Neuanfang. Mein Fazit: Unbedingt lesen und mitfühlen.