Rezension

Es war ganz okay

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

Bewertet mit 3.5 Sternen

Meine Meinung
April hat Magersucht und ist in einer Klinik, um wieder gesund zu werden. Phoebe ist ihre kleine Schwester, die ihr immer und immer wieder Briefe schickt. Sie erzählt einfach ein bisschen, was an dem Tag passiert ist, wie es ihr geht, was ihre Eltern machen, wie die Schule ist und sie fragte April hin und wieder, wann sie endlich wieder nach Hause kommt, wie es ihr in der Klinik geht und warum sie einfach nicht auf ihre Briefe antwortet.
Nach einem großen Schnitt nach der ersten Hälfte des Buches liest man plötzlich Briefe von April, die an Phoebe gehen. April schreibt von ihren Erfahrungen in der Klinik, von ihren Problemen mit ihren Eltern. 
Phoebe ist mir gleich ans Herz gewachsen, an vielen Stellen hätte ich sie am liebsten einfach in den Arm genommen und ihr gesagt, dass alles wieder gut wird. Genauso oft war ich davon überrascht, wie sie sich verhält, wie sie redet und wie sie ihre ganze Welt sieht. April ist ganz anders als die offene und selbstbewusste Phoebe. April redet nicht gerne, sie schweigt lieber, vor allem seitdem sie das Gefühl hat, von ihrer Familie nicht mehr verstanden zu werden. Zumindest wird es so beschrieben. Während ich das Buch gelesen habe, kam es mir vor, als wären sie dieselbe Person. April redet vielleicht nicht viel, aber sie kann genauso gut mit Worten umgehen wie Phoebe, weswegen sie sich doch ähnlicher sind als gedacht.
Die Eltern der beiden werden mir von Seite zu Seite unsympathischer. Spätestens bei Aprils Briefen habe ich gemerkt, wie gebrochen die Familie schon seit Jahren war. Phoebe wurde jedes mal angemeckert, wenn sie irgendwas schlaues gesagt und sich nicht "ihrem Alter entsprechend" benommen hat. Und April wird keineswegs von ihren Eltern unterstützt. Ihr Vater schweigt jedes Problem tot und verkriecht sich lieber in seinem Arbeitszimmer und ihre Mutter bezeichnet sie als "den undankbarsten Mensch", wenn April ihren Kuchen nicht essen wollte.
Das Buch spricht ein sehr ernstes Thema an und zwar nicht nur aus der Perspektive des Betroffenen, sondern aus der Perspektive der Angehörigen. Wie sie mit der Krankheit umgehen. Gleich zu Beginn hat es mich emotional sehr mitgenommen, schon nach wenigen Seiten bin ich in Tränen ausgebrochen. Man stellt sich die gleichen Fragen wie Phoebe, allen voran: Warum antwortet April nicht?
Der Schreibstil ist ganz schön, zu Beginn musste ich mich ein wenig daran gewöhnen. Das Buch ist tatsächlich durchgehend in der Briefform verfasst, keine Schnitte und keine andere Perspektive. Der erste Teil des Buches - ungefähr die erste Hälfte - sind Briefe, die Phoebe an April schreibt. Die letzte Hälfte sind Briefe, die April an Phoebe schreibt. Es hat mir gut gefallen, dass Lilly Lindner sich für diese Weise entschieden hat und nicht nach jedem Brief von Phoebe eine Antwort von April geschrieben hat. Irgendwie passte das so einfach besser.
Ich kaufe der Autorin allerdings nicht ab, dass diese Briefe von einem neun jährigen Mädchen geschrieben sein sollen. Phoebe einfach viel zu weise und philosophisch und auch wenn ihr großer Wortschatz und Sprachgebrauch ein Thema des Buches ist, passt es einfach zu keiner neun Jährigen, auch wenn sie begabter als andere in dem Alter sind. Mein kleiner Bruder ist fast neun und hat das mit dem Dativ und Genetiv glaube ich nicht mal wirklich in der Schule unterrichtet bekommen. Außerdem haben April und Phoebe den komplett gleichen Schreibstil, was logisch ist, wenn es dieselbe Autorin schreibt, aber bestimmte Dinge hätte man auch vermeiden können. Zum Beispiel, dass beide immer schreiben "Sei fest umarmt". Ihr merkt schon, an dem Schreibstil habe ich viel auszusetzen. Wie gesagt, ist er ziemlich schön, aber ich finde, er passt einfach nicht zu der Handlung und den Charakteren.
Ungefähr nach zweihundert Seiten habe ich ein paar Rezensionen auf Amazon gelesen, weil ich erfahren wollte, ob April noch antwortet und ich mich erinnern konnte, es in irgendeiner Rezension schon einmal gelesen haben. Neben den super vielen 5-Sterne Bewertungen habe ich ein paar 3-Sterne Bewertungen gefunden und ich konnte mich nicht davon abhalten sie zu lesen. Seitdem ich diese ganzen negativen Aspekte gelesen hatte, sind sie mir auch alle aufgefallen. Ich war bis zu dem Zeitpunkt endlos begeistert und hatte schon geplant, meinen Extrapunkt, den Diamanten, zu vergeben, aber irgendwie wurden mir die Augen sozusagen aufgerissen und mir ist aufgefallen, wie viele Unstimmigkeiten in dem Buch vorhanden sind.

Fazit
Mit diesem Buch pflege ich eine Hass-Liebe, die eher zur Liebe tendiert. Das Thema ist super wichtig und ich würde behaupten, es ist immer schwer, daraus einen guten Roman zu schreiben. Die Idee mit den Briefen finde ich wirklich gut, auch dass es die kleine Schwester ist, die die Briefe schreibt und nicht die beste Freundin oder Mutter. Unpassend fand ich allerdings den Schreibstil, zu dem ich mich schon genug geäußert habe. Die Charaktere Phoebe und April habe ich gleich in mein Herz geschlossen, mit der Mutter und dem Vater bin ich keineswegs warm geworden.
Die Bewertung in Blumen ist jetzt wirklich schwer. Aber ich entscheide mich für 4/5, weil die Handlung und die zwei Protagonisten mich emotional wirklich sehr bewegt haben und ich finde, drei Blumen sind einfach zu wenig, obwohl nicht alles wirklich gepasst hat.