Rezension

Etwas ziellos, doch wunderbar berührend

Gegen alle Regeln - Ariel Levy

Gegen alle Regeln
von Ariel Levy

Bewertet mit 4 Sternen

„Als ich aus der Mongolei zurückkam, war ich so traurig, dass mir das Atmen schwerfiel.“ (S. 126)

Zusammenfassung. Ariel hat alles, was sie will: Eine liebevolle Ehe, einen guten Job und dann ist sie auch noch schwanger. Doch als sie auf ihrer letzten großen Reise das Kind verliert, bricht plötzlich alles über ihr zusammen.

Erster Satz. Reden Sie manchmal mit sich selbst?

Cover. Hätte ich mich wegen des Covers für oder gegen dieses Buch entscheiden müssen, dann wäre es sehr wahrscheinlich nichts geworden mit uns. Ich finde, das Cover hat etwas Altmodisches, etwas, das mich denken lässt, dass ich dieses Buch auch im Keller meines Elternhauses hätte finden können, irgendwo unten im Stapel der Bücher meiner Mutter oder meines Vaters. Also nein. Dieses Cover hat mich einfach gar nicht angesprochen.

Inhalt. Im Gegensatz zum Inhalt (zunächst). Es brauchte nur bis Seite sieben, bis zum ersten der gleich folgenden Buchzitate, um mich von der Notwendigkeit zu überzeugen, dieses Buch zu lesen. Die Emotion, die dort sprachlich erzeugt wird, hat mir den Atem geraubt und wäre ich an dem Tag etwas näher am Wasser gebaut gewesen, dann hätte meine Contenance nicht lange gehalten.
Ganz so begeisternd, wie ich die ersten Seiten empfunden habe, ging „Gegen alle Regeln“ dann jedoch leider nicht weiter.
Es änderte sich nichts an der sprachlichen Schönheit, doch ich hatte noch lange das Gefühl, dass alles, was wir hier zu lesen bekommen, irgendwie noch Vorgeplänkel ist. Ist es aber nicht. Natürlich, „Gegen alle Regeln“ ist schon laut Titel ein „Memoir über Liebe und Verlust“ und vielleicht gibt es nichts, was ich sagen könnte, das dieses Buch treffender beschreibt. Und trotzdem hätte ich mir gewünscht, ich hätte zwischendurch das Gefühl gehabt, dass diese Erzählung ein Ziel hat.

Personen. Die Personen sind in meinen Augen ein Pluspunkt dieses Memoirs. Sie sind glaubwürdig in ihrem Gewinnen und Scheitern, in ihren Stärken und Schwächen. Ich konnte der Ich-Erzählerin jede ihrer Emotionen abkaufen und wäre sehr wahrscheinlich bei dem Schicksalsschlag, der sie ihren Sohn verlieren lässt, ein emotionales Wrack gewesen - wenn nicht just in der Umgebung dieser schrecklichen Zeit die Emotionalität zurückgeschraubt schien. Emotion durch bewusste Nicht-Emotion oder schlicht das Unvermögen, sich mit der Unfassbarkeit der Ereignisse gefühlsmäßig näher auseinander zu setzen?
Doch das sind kleine Kritikpunkte. Alles in allem waren die Figuren sehr überzeugend und wirklich gelungen.

Lieblingsstellen. „Immer wieder werde ich von Gefühlen überwältigt, und ich stehe da und muss mich an der Arbeitsplatte in der Küche festhalten, an einer Stange in der U-Bahn oder am Körper eines Freundes, damit ich nicht umfalle.“ (S. 7)
„Sie verbreitete die warme Anständigkeit einer Sonnenblume.“ (S. 46)
„[…] dieses Lächeln, das direkt von der Sonne kommt.“ (S. 152)

Fazit. Eine faszinierende, bewegende Geschichte, der nur leider für mein Empfinden das letzte Fünkchen Großartigkeit fehlt.