Rezension

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etwas zu fulminant, zu langatmig

Die Tyrannei des Schmetterlings
von Frank Schätzing

Bewertet mit 3 Sternen

Schätzings Roman beginnt in Afrika (später kann man sich zusammen reimen, dass es wohl in Ghana ist) und lässt sich schwer an. Schwerfälliger Stil, komische Geschichte. Dann wechseln wir in die Sierra Nevada. Wo Unter-Sheriff Luther Opoku mit seiner Kollegin Ruth zu dem Fundort einer Frauenleiche gerufen wird. Opoku ist nicht nur Polizist, er war früher in der Drogenfandung in Chicago und hat all das aufgeben, um ein Provinznest zu ziehen, damit er vor lauter Job seine Familie nicht vergisst und somit verliert. Sein Vater stammt aus Ghana. Seine Mutter Darlene ist in die Sierra gezogen und hat dort ein Café und sie ist seine bequeme Ausrede für den Umzug. Von seiner Frau Jodie ist er geschieden und seine (sehr kluge) Tochter Tamy teilt sich die Zeit zwischen den Eltern.

Luther & Ruth merken bald, dass es sich nicht um einen Unfall handelt, sondern das eine Art Hetzjagd auf die Frau stattgefunden haben muss und sie so in ihr Verderben und in den Tod gelaufen ist. Die Spur führt zur „Farm“, einem Grundstück, dass Elmar Nordvisk gehört. Einem IT-Guru, der an Künstlicher Intelligenz und vielem mehr mit seinem Team forscht.

Die Tote Pilar Guzmán hat für ihn in Palo Alto gearbeitet. Und angeblich war sie in der Nacht ihres Todes nicht auf der „Farm“. Luther und Ruth haben einen USB Stick mit Überwachungsvideos bei ihr im Auto gefunden, auf denen die Sicherheitsleute der Farm bei ominösen Aktivitäten mit Waffen zu sehen sind und alles deutet daraufhin, dass Pilar doch dort gewesen ist.

Bis jetzt liest es sich wie ein normaler spannender Krimi. Luther verdächtigt Rodriguez, den Chef der Sicherheit, Pilar getötet zu haben, die Verletzungen an Rodrigues Wange passen zu Pilars Abwehrverletzungen. Als Luther ihn über das Gelände der Farm verfolgt, kommt er in einen merkwürdigen Raum, den er bereits auf dem Video gesehen hatte. Hier beobachtet er einen Kampf zwischen Rodriguez und Pilar, die dann flieht. Luther verhaftet Rodriguez, doch bereits beim Verlassen des Geländes kommt ihm einiges merkwürdig vor: Hugo van Dyke (der Finanzier der Firma) und Elmar Nordvisk sind nicht mehr da, alle tun so als wunderten sie sich über die Anwesenheit des Untersheriffs. Er selbst fragt sich, was für einer Sinnestäuschung er erlegen ist, denn Pilar liegt doch tot … oder etwa nicht?

Zurück im Büro merkt er, dass alle glauben, er sei in Urlaub gewesen und dass es keine Leiche gibt. Rodrigues wird durch seine Anwältin schnell aus der Zelle geholt. Luther hat nichts gegen ihn in der Hand. Schlimmer noch: er befindet sich einen Tag zurück in der Vergangenheit. Das merkt er daran, dass  er plötzlich „hellsehen“ kann. Er kennt die Einsätze der Kollegen im Voraus, weiß Dinge, die er eigentlich nicht wissen kann. Schließlich vertraut er sich Ruth an. Die ihm zumindest zuhört und als sie schließlich selbst angegriffen wird und auch noch die Leiche des „anderen“ Luthers entdeckt, ist klar: der Luther, der hier vor ihr steht, stammt auch einem Paralleluniversum. Irgendetwas ist dort auf der Farm in diesem Raum passiert. Luther ist verzweifelt, denn er kann sich nur schwer in seinem eigenen Leben orientieren. Schon alleine deswegen, weil er und seine Frau sich anscheinend doch wieder näher gekommen sind. Alles ist wie eine alternative Variante, inklusive er selbst.

Luther und Ruth müssen herausfinden, was passiert ist.

Ich habe das Buch zur Hälfte gelesen und die andere Hälfte gehört. Das Hörbuch war gut eingelesen und auch die weiblichen Stimmen setzt Sascha Rotermund durchaus annehmbar um.

Die Story an sich ist eine Mischung aus Roman, SiFi und Krimi. Die Schlacht in der PU mit raumschiffartigen Fluggeräten, Zukunftswelten und viel Feuerkraft erinnert zu sehr an „Krieg der Welten“ (was er sogar „zitiert“) oder ähnliches, vielleicht auch ein bisschen Perry Rhodan (auch wenn keine Außerirdische sondern Cyborgs, neben den raffgierigen Menschen und einer außer Kontrolle geratenen KI, das Problem darstellen).

Schätzings Stil ist in meinen Augen oft zu gewollt, zu gedrechselt, was eigentlich nicht nötig wäre. Dass er eine intensive Recherche betrieben hat, ist deutlich zu merken und die Informationen sind sicherlich auch gut verarbeitet. Dagegen ist die Idee, dass mehrere Parallelwelten nebeneinander existieren, nicht neu und auch die Dystopie einer sich verselbstständigen KI schon bekannt und diskutiert.

Natürlich regt der Roman zum Nachdenken an: wie viel Macht wollen wir den Online Riesen über uns geben? wie viel gläserner wollen wir noch werden? Und was, wenn wir etwas erschaffen, über das wir die Kontrolle verlieren, allein, weil wir die Hybris besitzen, zu denken, wir hätten alles im Griff? Ob wir dazu ein fast 800 Seiten (gefühlt über 1000) Pamphlet von Frank Schätzing gebraucht hätten, ist fraglich. Wie heißt es so schön? In der Kürze liegt die Würze. Das nächste Mal also weniger fulminant und ausufernd, das würde ich mir wünschen.